Schnecke 126

„Soziale Tankstelle“ – Einblicke in die Selbsthilfe und Ehrenamt

 

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Lautstark – Der Talk rund ums Hören

„Stille ist ein schönes Geräusch“ – Filmgespräch mit Nathalie Lamb

9. DCIG-Fachtagung — Save the Date

CI-Versorgung im Umbruch

Krankenhausreform in NRW

Stellungnahme der DCIG und des CIV NRW 

2. Oktober 2020

Was tun bei einseitiger Taubheit?

2008 wurden erstmalig auch einseitig taube Patienten zur Behandlung eines stark belastenden Tinnitus mit einem Cochlea Implantat (CI) versorgt. Dabei stellte man fest, dass das Sprachverstehen im Störgeräusch mit CI deutlich verbessert und der störende Tinnitus verringert werden konnte. Seither wurden vor allem in Deutschland zahlreiche einseitig taube Patienten mit einem Cochlea Implantat versorgt. Die Autoren konnten im Rahmen einer umfangreichen Studie nachweisen, dass sowohl in audiologischen Testungen als auch subjektiv mit einem Cochlea Implantat ein signifikant besseres Sprachverstehen im Störgeräusch und eine bessere Lokalisationsfähigkeit im Vergleich mit konventionellen CROS-Hörgeräten und knochenverankerten Hörsystemen zu erreichen ist.

„Einseitig taub – bin ich hörbehindert genug?“ lautete der Titel der achten „Lautstark-Folge“ von DCIG und Schnecke, den Sie hier nachsehen können. 

Einseitig Ertaubte haben Schwierigkeiten beim Sprachverstehen im Störgeräusch. Dies führt zu einer erhöhten Höranstrengung, welche eine höhere Aufmerksamkeit und Konzentration erfordert, um zum Beispiel einem Gespräch bei Straßenlärm oder in einem Restaurant zu folgen. Ein weiterer großer Nachteil ist, dass bei nur einseitigem Hören Lateralisation und Richtungshören nicht mehr gewährleistet ist. Zum einen ist die Ansprechbarkeit von der tauben Seite reduziert und der Sprecher kann nicht geortet werden, zum anderen ist es aber auch nicht mehr möglich, sich bewegende Schallquellen zu orten. Dies kann beispielsweise beim Überqueren einer Straße und einem herannahenden Rettungswagen mit Martinshorn zur Gefahr werden.

Gründe einseitiger Taubheit

Einseitige Ertaubung kann durch unterschiedliche Ursachen bedingt sein. Diese können erworben oder auch angeboren sein, z.B. können Kinder durch genetische Erkrankungen einseitig taub geboren werden. Einseitige kongenitale, also angeborene Ertaubung bei Kindern ist in über 30 % durch eine Hörnerv-Aplasie bedingt, also durch die nicht erfolgte Anlage eines Hörnervs. Weiterhin kann es im Laufe des Lebens zu einer erworbenen einseitigen Taubheit kommen, beispielsweise durch Entzündungen, Verletzungen (Knochenbrüche), Tumore oder Operationen. Bei Erwachsenen sind die häufigsten Ursachen ein oder mehrere Hörstürze und Tumore (Vestibularis-Schwannom, der von den Zellen der Umkleidung des Hörnervs bzw. Gleichgewichtsnervs ausgeht).

Dank der Möglichkeit des hoch auflösenden Felsenbein-MRTs sind seit kurzem auch Schwannome innerhalb der Gehörschnecke und des Vestibularorgans sichtbar geworden und chirurgisch therapierbar. Weiterhin kann eine Mittelohrentzündung, welche zu einer Infektion des Innenohrs führt und dieses dauerhaft schädigt oder gar zur Verknöcherung der Gehörschnecke, ursächlich für eine einseitige Ertaubung sein.

Wann ist ein CI indiziert?

Grundsätzlich ist eine Voraussetzung für die Cochlea-Implantation auch bei einseitiger Taubheit ein vorhandener und stimulierbarer Hörnerv und eine flüssigkeitsgefüllte Hörschnecke, die nicht verknöchert ist. Daher muss vor jeder CI-Versorgung eine ausführliche Vordiagnostik inklusive MRT und CT erfolgen. Bei Erwachsenen mit erworbener einseitiger Taubheit und stimulierbarem Hörnerv und einer nicht zu langen Taubheitsdauer (Ertaubung im Kindesalter) ist eine Cochlea-Implantation nach ausführlicher Diagnostik indiziert.
 
Bei Kindern müssen wir zwischen Kindern mit angeborener einseitiger Ertaubung und Kindern mit erworbener einseitiger Ertaubung unterscheiden. Wie bereits erwähnt, ist die häufigste Ursache bei Kindern mit angeborener einseitiger Ertaubung eine Hörnerv-Dysplasie, bzw. Hörnerv-Aplasie. In diesen Fällen ist eine Cochlea-Implantation nicht indiziert. Weiterhin zeigen unsere Ergebnisse, dass eine frühe Implantation von Kindern mit angeborener einseitiger Ertaubung bis zum vierten Lebensjahr sehr gute Ergebnisse bringen. Bei einem Implantationsalter von mehr als vier Jahren sind die Ergebnisse uneinheitlich und aktuell noch nicht vielversprechend. Hier müssen weitere Langzeituntersuchungen und Studien mit einer ausreichenden Anzahl von Kindern durchgeführt werden.
 
Sofern die Kinder mit erworbener einseitiger Taubheit nach dem Erwerb der Sprachfähigkeit, also über einem Alter von zwei bis vier Jahren ertaubt sind, ist eine Cochlea-Implantation bei intaktem und stimulierbarem Hörnerv empfehlenswert. Dies zeigen unsere Ergebnisse von 24 Kindern mit erworbener einseitiger Taubheit.

Verbesserte Lebensqualität

Durch ein CI verbessert sich die Lebensqualität bei einseitig Ertaubten deutlich. Durch das wieder ermöglichte beidseitige Hören finden diese Patienten leichter Zugang zu sozialer Interaktion. Weiterhin ist auch der subjektive Höreindruck, also das subjektive Empfinden des Hörens deutlich verbessert, die Tinnitusbelastung reduziert, und Copingmechanismen werden gestärkt. Die Tragedauer des Sprachprozessors ist bei einseitig tauben CI-Trägern nicht signifikant unterschiedlich im Vergleich mit beidseitig Ertaubten, sprich einseitig Ertaubte nutzen ihr CI genauso lang wie beidseitig ertaubte Patienten.

Alternativen zum CI

Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Hör-Rehabilitation, sollte ein CI entweder nicht indiziert oder von dem Patienten nicht gewünscht sein. Die CROS-Versorgung (Contralateral Routing of Signal), bei welcher beidseitig Hörgeräte getragen werden und der Schall vom tauben Ohr auf den Empfänger am normal hörenden Ohr übertragen wird, ist eine Möglichkeit. Ein Vorteil der CROS-Versorgung ist, dass kein operativer Eingriff notwendig ist und der Patient ohne Probleme ein MRT erhalten kann. Weiterhin ist der Patient von der tauben Seite ansprechbar. Jedoch ist ein binaurales Hören bei der CROS-Versorgung nicht möglich.

Knochenverankerte Hörsysteme sind eine andere Möglichkeit der Versorgung, jedoch ebenfalls invasiv und mit mehr oder weniger großen Artefakten im MRT behaftet. Hierbei zeigen die perkutanen Systeme die kleinsten Artefakte. Unsere Studien zeigten, dass das CI den alternativen konventionellen Möglichkeiten, besonders bezüglich des binauralen Hörens überlegen ist und mit dem Sprachverstehen auf dem gesunden Ohr nicht interferiert. Aktuelle Arbeiten zeigen sogar, dass durch ein CI auf der tauben Seite der zunehmende Hörverlust auf dem normal hörenden Ohr aufgehalten werden kann.

Ist das 2. Ohr wichtig?

Ja! Viele Arbeiten konnten nachweisen, wie wichtig das zweite Ohr bei einseitiger Taubheit ist. Dem Patienten kann das Richtungshören wieder ermöglicht werden, die Sprachwahrnehmung im Störgeräusch und die Lebensqualität des Patienten können verbessert und die Höranstrengung reduziert werden. Binaurales Hören kann entwickelt oder wiederhergestellt werden, die Hörbahn wird wieder stimuliert und degeneriert dadurch nicht.

Erfreulicherweise wird die CI-Versorgung von einseitig tauben Patienten durch die Krankenkassen in Deutschland in der Mehrheit der Fälle übernommen und gewährleistet. Dies ist in anderen Staaten, wie den USA, aber auch der Schweiz nur im Rahmen von Studien möglich. Aktuell arbeiten wir an neuen diagnostischen Möglichkeiten, die die Indikation zum CI bestätigen und untermauern sollen und auch, um eine gewisse Vorhersage über den Erfolg im Falle einer Cochlea-Implantation treffen zu können. Einseitige Taubheit ist noch ein unerforschtes Terrain und wir freuen uns, hier weiter für und mit Patienten zu arbeiten und zu forschen.

Susan Arndt, Manuel Christoph Ketterer, Antje Aschendorff, Roland Laszig

Danksagung:
Die Autoren danken dem Verein “Taube Kinder lernen Hören e.V.”, der das Cochlear Implant Centrum Freiburg und unsere Forschung für CI-Patienten unterstützt.

Prof. Dr. med. Susan Arndt, Fachärztin für Hals- Nasen und OhrenheilkundeUniversitäts-HNO-Klinik Freiburg

Dr. med. Manuel Christoph Ketterer,
Assistenzarzt der Hals- Nasen und Ohrenheilkunde, Universitäts-HNO-Klinik Freiburg

Dieser Text wurde in der Schnecke 103 veröffentlicht.

 


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