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CI-Versorgung im Umbruch

18. Januar 2022

Vollständig implantierbares Cochlea-Implantat eingesetzt

Erstmals in Deutschland wurde durch Prof. Dr. Joachim Müller ein vollständig implantierbares CI, ein Totally Implantable Cochlear Implant – kurz TICI, in der Klinik und Poliklinik für HNO-Heilkunde des LMU Klinikums München eingesetzt. Wir sprachen mit Prof. Joachim Müller und den Med-el Mitarbeitern Florian Schwarze, PhD, Senior Clinical Research Manager und Tobias Einberger, Dipl. Ing., Product Manager CI/EAS/ABI.

Auch wenn ein CI häufig anders als ein Hörgerät von der Umgebung wahrgenommen wird, werden CI-Träger oft gefragt: „Was hast Du denn da am Kopf?“ Beim klassischen Cochlea-Implantat arbeiten interne und externe Systemkomponenten zusammen: Ein Mikrofon nimmt den Schall auf. Im CI-Prozessor, der auch die Energieversorgung bereitstellt und hinter dem Ohr getragen wird, wird das akustische Signal in elektrische Impulse umgewandelt. Diese werden über eine Sendespule drahtlos durch die Haut zum eigentlichen Implantat übertragen. Dort werden sie dekodiert, über die Elektrode in der Cochlea zum Hörnerv geleitet und als Hörnervenerregung der Hörbahn und dem Gehirn zur Weiterverarbeitung präsentiert. So weit, so gut. Das vollständig implantierbare Cochlea-Implantat integriert nun alle internen und externen Komponenten eines CIs – einschließlich Audioprozessor, Mikrofon und Akku – in ein System und wird unsichtbar unter die Haut eingesetzt.

Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie implantierte Prof. Joachim Müller, Leiter des Schwerpunkts Otologie und Cochlea-Implantate, Ende November 2020 das neuartige TICI bei den ersten drei Probanden, die unter hochgradigem Hörverlust leiden. Die Studie wird als europäisches Kooperationsprojekt unter anderem zusammen mit der Universität Lüttich in Belgien durchgeführt. „Immer wieder sagten mir Patientinnen und Patienten in den vergangenen 30 Jahren, in denen ich mich nun schon mit dem CI beschäftige, dass es schön wäre, wenn man das Cochlea-Implantat und diesen großen „Knopf“ außen am Ohr nicht sehen würde. Die technischen Verbesserungen und Errungenschaften sind weit fortgeschritten. Warum also nicht den Gedanken an ein vollständig implantierbares CI konsequent weiterdenken? An erster Stelle stehen ein möglichst gutes Hören und Verstehen für jeden Einzelnen. Dies ist schließlich das A und O in meinem Beruf, den Patienten ein gutes Sprachverstehen zu ermöglichen“, so der Münchner Oberarzt weiter.

Über die Technik des TICI und die laufende Studie darf er aktuell, auch wenn er das gerne tun würde, nicht viel preisgeben, da Studien auch formal vielen Regularien unterliegen. Derzeit geht es um die technische Machbarkeit und die Evaluierung erster Ergebnisse. „Das ist ein komplizierter und aufwendiger Prozess. Wir haben einen klaren Prüfplan erstellt, an den wir uns strikt halten müssen. Die Ethikkommission und die zuständige Behörde mussten einen dicken Ordner prüfen und die Risiken und den Nutzen für den einzelnen Patienten und die Heilkunde insgesamt abwägen“, erklärt Prof. Müller.

„Die erste TICI-Operation war spannend“

Für die Probanden unterscheide sich der Eingriff nicht großartig von einer herkömmlichen Implantation, außer, dass die Operation aufwendiger sei und deshalb länger dauere. „Insgesamt ist der Eingriff aber risikoarm, ähnlich wie bei einer „normalen“ CI-OP. Trotzdem ist es auch nach mehr als 2.500 CI-OPs Neuland, das man betritt“, so Müller, „erst als die Ethikkommission alles freigegeben hatte, sind wir an die Patienten herangetreten. Es folgten lange, ausführliche Beratungsgespräche mit den Patienten und intern im Team – schließlich müssen die Patienten verstehen, was auf sie zukommt und die Tragweite genau kennen. Es freut uns, dass die Probanden, die nun mitmachen, die Forschung gemeinsam mit uns vorantreiben und ihren Beitrag leisten“, berichtet der anerkannte CI-Experte, „die erste TICI-Operation war spannend, die Ergebnisse werden gerade ausgewertet. Nähere Angaben darf ich aktuell noch nicht machen, aber ich bin sehr zufrieden.“ Alle Operationen im europäischen Verbund in München und Lüttich sind abgeschlossen und es sind auch keine weiteren geplant.

Auch beim TICI erfolgt, wie bei einer klassischen CI-Implantation, nach circa vier bis sechs Wochen die „Inbetriebnahme“ des Systems. Das interdisziplinäre CI-Team am LMU Klinikum begleitet die Probanden zum Beispiel mit elektrophysiologischen Anpassungen an die jeweilige individuelle Hörsituation und mit einem postoperativen Hörtraining. „Allerdings ist die Nachsorge streng an das Studienprotokoll gekoppelt. Dabei haben wir darauf geachtet, dass wir jeden Probanden, wie nach einer normalen CI-OP, auch individuell fördern können“, so Müller. Florian Schwarze, TICI-Studienleiter bei Med-el in Innsbruck dazu: „Das TICI funktioniert im Grunde wie ein herkömmliches CI. Das Umschalten, etwa beim Programmwechsel, wird durch Signaltöne angezeigt und natürlich lässt sich das TICI auch ausschalten.“ Das sei wichtig, da zum Beispiel manche Probanden gerne in der Nacht Ruhe haben möchten.

Wer ein vollständig implantierbares CI in Erwägung zieht, muss sich aktuell auf eine lange Wartezeit einstellen. Daher die Empfehlung von Tobias Einberger, Ingenieur und Produktmanager bei Med-el Deutschland: „Aufgrund der schwer abschätzbaren Zeitdauer bis zur Marktreife des TICI sollte niemand, der heute die Indikationen für ein Cochlea-Implantat erfüllt, mit der Implantation warten. Denn: Je kürzer die Dauer der Ertaubung, desto höher die Wahrscheinlichkeit eines schnellen und guten Hörerfolges mit CI. Wir raten Menschen mit einem Hörverlust sich lieber erst mit einem klassischen CI versorgen zu lassen, bevor sie jahrelang auf die Marktreife eines TICI warten und solange unversorgt sind.“ Ein klassisches CI könne aber später durch ein TICI ausgetauscht werden. „Das wissen wir nach den ersten Operationen schon heute mit Sicherheit“, so Müller, „denn die bewährten schonenden Operationsprinzipien, wie sie schon mein Lehrer Herr Prof. Helms lehrte, wurden verfeinert und leicht angepasst, auch beim TICI angewendet.“

Zehn Jahre sind in der Medizintechnik nichts

Das Interesse am TICI ist laut Einberger groß. „Wir bekommen ein bis zehn Anfragen pro Woche, zum Beispiel, ob wir noch Studien-Kandidaten*innen suchen.  Das ist in absehbarer Zeit nicht der Fall, auch eine oftmals angesprochene Warteliste gibt es nicht – hier wollen wir keine falschen Hoffnungen wecken.“ Im Rahmen der Machbarkeitsstudie finden nun erst einmal weitere Untersuchungen gemäß Studienprotokoll statt. Eine solche Studie lasse sich laut Prof. Müller nur realisieren, wenn der CI-Hersteller enorme finanzielle Mittel und Ressourcen freimache: „Med-el leistet für die Studie hier den Löwenanteil. Es kommen aus jedem Teilbereich Spitzenleute zusammen. Für mich ist es eine große Ehre und faszinierend, im Forschungsfeld vorne mit dabei sein zu dürfen und meine Erfahrung, auch für einen Traum vieler Betroffener, einbringen zu dürfen.“ Hier ergänzt Einberger augenzwinkernd: „Die Ingenieure sind den Operateuren allerdings wieder mal zu langsam“, und erläutert, „In der Regel dauern gerade neuartige Produktentwicklungen in der Medizintechnik lange. Ein Zeitraum von bis zu zehn Jahren sowie ein mehrjähriges Zulassungsverfahren sind üblich.“ (nr)

 

Lautstark – Der Talk rund ums Hören
Möchten Sie mehr über das vollständig implantierbare Cochlea Implantat, kurz TICI, erfahren?

Dann sind Sie am 21. Januar 2022 bei „Lautstark – der Talk rund ums Hören“ genau richtig. Prof. Dr. Joachim Müller, Leiter des CI- und Ohrenzentrums der Klinik und Poliklinik für HNO-Heilkunde am LMU-Klinikum München, wird ab 16 Uhr zu Gast sein. Im Lautstark-Talk wollen wir mit ihm über das TICI sprechen: Werden wir in Zukunft alle vollständig implantierte CIs tragen? Wollen wir das überhaupt? Oder ist das alles nur Zukunftsmusik? Gastgeberin ist Ulrike Berger, die Geschäftsführerin der DCIG. Eine Schriftdolmetscherin ist ebenfalls dabei. Weitere Informationen zu „Lautstark – der Talk rund ums Hören“ finden Sie auf www.dcig.de.


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