21. Oktober 2023

28. Friedberger CI-Symposium 

Das CI-Symposium im hessischen Bad Nauheim Anfang Juli stand unter dem Motto, Perspektiven und Möglichkeiten der CI-Versorgung. 

Foto: Rinke

Hinter dem Titel verbirgt sich eine fast unfassbare Bandbreite - angefangen von außergewöhnlichen Leistungen im alltäglichen Leben über die Frage der Identität bis zur Zukunft der Medizin.

Besondere Leistungen mit CI

Welche Leistungen sind mit einem CI möglich: Auf dem Friedberger CI-Symposium gab es mehrere Antworten. Es war einmal die Frage der Leistungsfähigkeit. Ein Beispiel ist Claudia Platzek.

Iron Man: Extremsport mit CI

Claudia Platzek / Foto: Rinke

Claudia Platzek hat den Iron Man auf Hawai gefinisht; sie ist erfolgreich 3,8 Kilometer geschwommen, 180 Kilometer Fahrrad gefahren und noch einen Marathon gelaufen. Die CI-Trägerin aus München hat mehrere Meistertitel. Während sie an Land das CI-trägt, legt sie es im Wasser ab. Für die Mutter von zwei Kindern bedeutet der Sport, dass sie ihre Behinderung nicht mehr spürt. Einen ausführlichen Bericht lesen Sie auf Seite XXX in diesem Heft.

Musik komponieren mit CI

Bei Annette Mexner liegt der Fokus darauf, wieder Fähigkeiten zu erlangen, die sie durch die Ertaubung verloren hatte. Die Mitarbeiterin einer Digitalagentur ist leidenschaftliche Musikerin. Die Taubheit auf einem Ohr war für sie früher ein tiefer Einschnitt ins Leben. Sie habe das Gefühl für die Musik verloren und eigentlich schon mit dem Thema abgeschlossen. Erst jetzt, Jahre später kommt es zurück. Dabei hat sich einiges verändert. Hat sie früher als Singer- Songwriterin nach Gefühl komponiert, so ist es jetzt mehr mit Verstand. Freunde hören sich die Kompositionen an. Ihre eigene Stimme nimmt sie über das CI kratzig wahr. Die Mitteltöne sind verzerrt, berichtet die Musikerin. Aber durch den Erhalt des Restgehörs klingen die Bässe satt und voll. 

Beeindruckend ist auch der Lebenslauf der jungen Geschwister Juliane und Laura Müller: „Wir sind weder gehörlos noch hörend, wir sind CI-Träger“, sagen die jungen Frauen. Was ihre Geschichte so beeindruckend macht lesen Sie ab Seite XXX.

Immer leistungsfähigere CI

Beispiele, die zeigen, wie gut die technischen Möglichkeiten inzwischen sind. Die CI werden immer leistungsfähiger, wie ein kurzer Überblick der Hersteller verrät. MedEl legt einen Schwerpunkt auf die Hörbarkeit von Musik, da durch sie Emotionen transportiert werden. Während früher die Sprachwahrnehmung im Fokus lag, rückt jetzt die Musik und damit die Begeisterung für die Töne in den Mittelpunkt. Dabei spielt einerseits der Frequenzbereich eine Rolle, also wie genau die Töne getroffen werden, andererseits aber auch die Dynamik, also wie laut einzelne Töne sind. Eine große Insertionstiefe ermögliche das Ziel einer individualisierten Anpassung.

Advanced Bionics gab auf dem CI-Symposium einen Einblick in den aktuellen Stand der Apps, mit der das CI gesteuert wird. Im Automatik-Modus erkenne „Autosense“ innerhalb von 0,4 Sekunden unterschiedliche Szenen, hieß es in dem Vortrag. Dabei ist ein schleichender Übergang möglich, zum Beispiel wenn ein CI-Träger einen Raum mit einer lauten Umgebung betritt. Automatik-Programme erbringen nach den Erfahrungen von AB signifikante Vorteile gegenüber einer manuellen Anpassung. Die Zukunft wird darin liegen, die Feinanpassung über Apps vorzunehmen, ist der Firmenvertreter überzeugt. 

Nur jeder 14. Schwerhörige wird versorgt

Genau da sieht auch Cochlear enormes Potenzial, wenn auch aus einem anderen Grund. Größter Kritikpunkt ist nach Ansicht des Unternehmens, dass es keine Bewegung im Markt gebe. Der Kreislauf der Hörgeräteversorgung werde nicht durchbrochen, oft aus Unwissenheit. Dadurch entstehe eine dramatische Versorgungslücke. Nur jeder 14. für den ein CI sinnvoll ist, werde auch tatsächlich versorgt. Der Vorschlag von Cochlear ist ein Netzwerk. Herstellerunabhängig müssten Kliniken und Akustiker auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Akustiker könnten demnach Aufgaben in der Nachsorge übernehmen. Die Kliniken könnten so weitaus mehr Patienten behandeln. So könnte die Versorgungslücke geschlossen werden.

MRT mit CI  - Vortrag sorgt für Diskussionen

Professorin Silke Helbig / Foto: Rinke

Ein scheinbar endloses und viel diskutiertes Thema sind MRT-Untersuchungen für CI-Träger. Eine Studie habe gezeigt, dass etwa 30 Prozent der Untersuchungen den Kopf betreffen, so die Professorin Silke Helbig vom Uni-Klinikum Frankfurt. Patienten haben relativ häufig Schmerzen, insgesamt sei aber die Untersuchung relativ sicher. Ein minimales Risiko gebe es bei Alt-Implantaten. Professorin Silke Helbig kommt zu dem Schluss, dass grundsätzlich die Untersuchungen möglich sind, es aber einige Bedingungen gibt. Das CI muss zugelassen sein, und es müssen Vorgaben der Hersteller beachtet werden. Eventuelle Komplikationen müssen vorher ausgeschlossen werden. Und letztlich muss auch vorher über die Nutzbarkeit der Bilder nachgedacht werden. 

Alltag: Nur jeder 4. Radiologe macht MRT

Dagegen wies DCIG-Präsident Doktor Roland Zeh darauf hin, dass es für Radiologen die Empfehlung gebe, keine MRT-Untersuchungen bei CI-Trägern durchzuführen. Diese sei auch noch nicht zurückgenommen. Praktisch führe etwa nur jeder vierte Radiologe die Untersuchungen durch. Ebenfalls kritisch sieht Professor Timo Stöver die Chance, die Situation zu verbessern. Es sei der Radiologe in der Verantwortung. Überlegt werde aber auch, ob der Betrieb des Geräts und die Beurteilung der MRT-Fähigkeit in die CI-Leitlinie aufgenommen werden kann. 

CI bei Kindern

Kinder, die relativ spät implantiert werden, sind in vielen kognitiven Funktionen signifikant schlechter als hörende Kinder. Die Grundlagen der Kognition werden in den ersten Lebensmonaten angelegt, so Professor Andrej Kral von der Medizinischen Hochschule Hannover.

In der Entwicklung erkennen die Babys zuerst Berührungen; sie dienen Eigenes vom Fremden zu unterscheiden. Das Gehör liefert anschließend einen Zeitbezug und letztlich das Sehen die Lokalisation im Raum. Alle Sinne haben unterschiedliche Funktionen und sind nicht redundant. Deshalb sei es wichtig, CI bis zum 9. Lebensmonat zu implantieren. 

Prosodie - Zwischentöne erkennen

Prosodie macht die Sprache lebendig. Sie umfasst Lautstärke, Tempo und Sprachmelodie und ist das Thema von Susann Thysonn vom Uniklinikum Düsseldorf. In einer Studie wurden Menschen mit und ohne CI 30 Sätze vorgesprochen, aus denen die Probanden linguistische und emotionale Informationen erkennen sollten - also einerseits, ob es sich zu Beispiel um Fragen und Aussagen handelt und andererseits, welche Gefühle in dem Satz ausgedrückt werden.

Während bei den Normalhörenden der Fehleranteil unter zehn Prozent lag, war die Fehlerquote bei den CI-Trägern bei der linguistischen Prosodie bei über 30 Prozent, bei der emotionalen Prosodie bei rund 60 Prozent. Besonders hoch war die Fehlerquote bei wütenden und freudigen Aussagen. Die Studienmacher kommen deshalb zu dem Schluss, dass die Prosodiewahrnehmung auch in den Folgetherapien bei CI-Patienten berücksichtigt werden sollten.


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