Behandlungsmöglichkeiten bei Tinnitus – Die Deutsche Tinnitus-Liga informiert

Jeder siebte bis zehnte Erwachsene hat einen Tinnitus. Das schätzt die Deutsche Tinnitus-Liga. Sie hat in Dortmund im Oktober über Behandlungsmöglichkeiten informiert. Vorab: Ein Tinnitus ist nicht heilbar, aber es gibt gute Behandlungsmöglichkeiten. 

Tinnitus-Tag in Dortmund

Der Tinnitus-Info-Tag in Dortmund (Foto: Rinke)

Unter den rund 40 Gästen sind einige Menschen, die eine Leidensgeschichte mitbringen. Und die kann sehr quälend sein. Das zeigte sich schon bei den vielen und sehr interessierten Fragen.

Chronischer Tinnitus ist nicht heilbar

Für viele Teilnehmende war es keine Überraschung: Im Einführungsvortrag stellte Bernd Strohschein, Vorsitzender der Tinnitus-Liga klar, dass es keine Heilung gibt. Und: Tinnitus ist keine Erscheinung des modernen Zeitalters. Schon im 3. Jahrhundert vor Christus sei schon über Ohrgeräusche berichtet worden.

Tinnitus: Ursache liegt nicht immer im Gehör

Heute weiß man, der Tinnitus findet im Gehirn statt, so Strohschein. Nur ein Teil der Ursachen liege im Gehör. Ein erheblicher Auslöser könne Stress sein. Aber, ein Auslöser allein reicht nicht aus. Weitere Faktoren sind zum Beispiel Schwerhörigkeit, Lärm und/oder ein Knalltrauma, Probleme mit der Halswirbelsäule oder ein Hörsturz. Zusammengefasst: Tinnitus ist ein Symptom, aber keine Ursache.

Unterschied von dekompensierten und kompensierten Tinnitus

Grundsätzlich wird zwischen zwei Arten von Tinnitus unterschieden: den kompensierten und dem dekompensierten. Bei der ersten Variante nehmen die Betroffenen die Geräusche nicht als störend wahr. Das ist auch das Ziel, das Patricia Lista im Tinnitusbewältigungstraining anstrebt. Letztlich geht es darum, von einer Belastung zur Gewöhnung zu kommen.

Denn Betroffene beobachten den Tinnitus und räumen ihm besonders viel Raum ein. Sie entwickeln Vermeidungsstrategien: „Ich habe Klienten, die können mir für den vergangenen Monat für jeden Tag sagen, wo ihr Tinnitus auf einer Skala von 0 bis 100 gestanden hat“, so Lista. Menschen meiden laute Umgebungen und ziehen sich immer weiter zurück. Auf der anderen Seite suchen sie stärker nach Linderung und greifen nach jedem Strohhalm.

Fragwürdige Behandlungsmethoden

Als Beispiel nannte Strohschein Ohrkerzen. Die habe er selbst ausprobiert. Das helfe zwar nicht, aber seine Frau habe das als sehr romantisch empfunden, wenn er mit der Kerze im Ohr auf dem Sofa gelegen hatte. Und auch der Diplom-Psychologe Detlef Kranz, ausgewiesener Tinnitus-Fachmann und Betroffener, hat die Kerzen ausprobiert und nachgeforscht: „Die sollen von den Hopi-Indianern stammen. Die Indianer gibt es, doch die kannten die Kerzen nicht.“

Keine nachweisbare Hilfe durch Medikamente

Noch immer sind die Ursachen von Tinnitus nicht ausreichend erforscht. Und, so Strohschein, es gibt auch keine nachgewiesen wirksamen Medikamente, sei es Ginkgo oder eine Arznei, die im Handel ist. Ein Pharmaunternehmen habe zig-Millionen Euro in die Forschung investiert und anschließend aufgegeben. Zwar lassen sich auf dem Markt zahlreiche alternative Angebote finden, die zwar Hilfe versprechen, aber eine tatsächliche Wirksamkeit ist nicht erwiesen.

Hypnotherapie als Behandlungsansatz

Ein bewährter und anerkannter Ansatz, um Betroffenen zu helfen, ist die Hypnotherapie. Dabei werden Patienten in einen entspannten, tranceähnlichen Zustand versetzt, um einen Zugang zum Unbewussten zu erhalten. Der Therapeut kann dann Verhaltensmuster und Blockaden beeinflussen. Ein Ansatz, um anders mit dem Tinnitus umzugehen. „Das Ohrgeräusch kommt nicht aus der Umwelt, es hat immer was mit mir zu tun“, so Psychologe Kranz. Aber ganz wichtig, es gehe niemals um Schuld, sondern darum, Verantwortung dafür zu übernehmen.

Sehr vereinfacht geht es darum, den Fokus weg vom Tinnitus zu lenken. Und: Die Ohrgeräusche sind nicht das Hauptproblem, hinter dem Symptom verbergen sich andere Themen. Das Leiden ist die Folge der negativen Bewertung. Tatsächlich habe die emotionale Befindlichkeit mit der Lautstärke des Tinnitus zu tun.

Hörgeräte können helfen

Und die Wahrnehmung der störenden Laute ist auch abhängig davon, wie laut die Umgebung ist. Wenn das Gehör und damit das Gehirn beschäftigt ist, werden die Störgeräusche weniger wahrgenommen. Deshalb klagen auch Schwerhörige häufiger über einen Tinnitus. Eine entsprechende Versorgung mit Hörgeräten kann den Tinnitus lindern.

In dem Zusammenhang rät aber die Tinnitus-Liga von so genannten „Noisern“ ab. Die sind teilweise in Hörgeräten integriert und verursachen ein Rauschen.

Therapieplätze schwer zu bekommen

Hörgeräte können also helfen, aber in der Regel keine Therapie ersetzen. Problem ist nur, dass es nicht ausreichend Psycho- und Audiotherapeuten gibt, die über eine besondere Expertise zum Tinnitus verfügen. (mr)


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