9. März 2019
Im Zeichen des CI
„Objektive Maße und Modelle des Hörens“ lautete der Titel der 22. DGA-Jahrestagung in Heidelberg. Den über 500 Teilnehmern wurden mehr als 200 Vorträge und Poster-Präsentationen geboten.
Sebastian Hoth wies als Tagungspräsident und Gastgeber darauf hin, dass die Universität von Heidelberg Deutschlands älteste ist (bezogen auf das heutige Staatsgebiet) und zitierte genussvoll das Motto der Stadt: „Zukunft seit 1386“.
Deutschlands älteste Uni verfügt durchaus über moderne Gebäude. Davon konnten sich die Teilnehmer überzogen, denn die DGA-Tagung fand in Hörsälen auf dem Campus rechts des Neckar statt.
Die Aussicht vom Neckarufer auf die Altstadt ist deutlich pittoresker. Im berühmten Heidelberger Schloss oberhalb der Altstadt – kriegsbeschädigt 1689 ff - fand am Abend des zweiten Konferenztages ein Empfang statt.
Um die CI-Reha bei Kindern drehte sich eines der Tutorials an Konferenztag 1. Karen Reichmuth aus Münster stellte das dort entwickelte und inzwischen in mehreren Bundesländern angebotene Programm zur Einbeziehung und zur Stärkung von Familien hörgeschädigter Kinder vor. „Sprache entwickelt sich über Kommunikation im Spiel mit den Eltern“, erläuterte sie. Hier liege der Schlüssel zum Erfolg jeder Therapie (siehe auch Schnecke Nr. 103). Rituelle Wiederholungen immer gleicher Phrasen und unnatürliche Betonungen hingegen seien zu vermeiden.
Zwei Gemälde von Paul Klee dienten dem Kanadier Terry Picton als Illustration seines Plädoyers für eine stärkere Beachtung der Spracherkennung bei der Bemessung des Hörerfolges hörsystemversorgter Menschen.
Inzwischen sei es möglich, durch Messungen der Hirnströme nachzuweisen, ob das Hirn Sprache erkennt oder nicht. Also sei es an der Zeit, in Hörtests sinnfreie Töne durch natürliche Sprache zu ersetzen.
Dass CI-Träger, auch wenn sie ebenso gut oder fast so gut hören und verstehen wie „normal“ hörende Altersgenossen, sich dafür dennoch deutlich stärker anstrengen müssen, belegen Untersuchungen aus der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), die von Angelika Illg vorgestellt wurden.
Christa Schlenker-Schulte aus Halle stellte die GINKO-Studie vor. Die Befragung von mehr als dreitausend berufstätigen Menschen mit Hörbeeinträchtigungen ergab ein trauriges Bild: technische Hilfsmittel werden oft nicht eingesetzt, gesetzliche Vorschriften nicht eingehalten, die Potenziale der Mitarbeiter nicht ausgeschöpft. Wobei sich gezeigt habe, dass CI-Träger in Betrieben deutlich „bessere Chancen haben, klarzukommen und akzeptiert zu werden“ als Hörgeschädigte, die auf eine Verständigung mittels Gebärden angewiesen sind.
Susan Arndt stellte in Vertretung von Antje Aschendorff das in Freiburg praktizierte Konzept der CI-Rehabilitation vor, die „in der Regel stationär“ erfolgen sollte, im Sinne des bio-psycho-sozialen Modells:
Wie ein roter Faden zog sich durch viele Vorträge die Erkenntnis, der Erfolg einer CI-Versorgung hänge ganz wesentlich von Art und Qualität der Rehabilitation ab.
Dem schloss sich auch Joachim Müller aus München an, obwohl er als Chirurg naturgemäß darauf verwies, dass ohne eine sach- und leitliniengerechte Operation die beste Reha nicht zum Hörerfolg führen kann. Leider gebe es inzwischen zu viele operierende Kliniken und darunter leider auch solche, in denen die CI-Nachsorge vernachlässigt werde. Professor Müller betonte auch die Bedeutung der Zusammenarbeit operierender Kliniken mit der organisierten Selbsthilfe (siehe Folie).
An der Diskussion beteiligte sich auch Thomas Zahnert (links im Bild), der Leiter der HNO-Uniklinik in Dresden. Unter seiner Leitung wird die Leitlinie zur CI-Versorgung gegenwärtig überarbeitet. Die neue Fassung soll im Mai vorliegen.
Die Vorträge, verteilt auf vier Hörsäle, fanden ein aufmerksames und zumeist hoch konzentriertes Publikum.
Im Foyer dominierten Infostände der vier CI-Herstellerfirmen und boten Raum für interdisziplinäre Begegnungen und manch intensive Diskussion.
Die Ehrenmitgliedschaft in der DGA wurde diesmal Norbert Dillier aus Zürich zuteil (siehe Schnecke Nr. 103, „Helden des Hörens“),
hier eingerahmt von DGA-Präsident Martin Walger aus Köln und Laudator Martin Kompis (Basel).
Ex-DGA-Präsident Ulrich Hoppe aus Erlangen durfte sich über den Ehrenpreis zur Förderung der CI-Rehabilitation freuen. Er versicherte, die überreichte Glaskugel als Briefbeschwerer in Einsatz und Ehren halten zu wollen. Er nahm den Preis aus den Händen der ACIR-Vorsitzenden Barbara Streicher entgegen (rechts; ACIR=Arbeitsgemeinschaft der CI-Rehabilitationszentren). Links im Bild Martin Walger.
Die 23. Jahrestagung der DGA soll 2020 in Köln stattfinden.
Text und Fotos: uk
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