11. Juli 22

Cochlea-Implantate: Online-Seminar der Uni Heidelberg

Einen Überblick über aktuelle Entwicklungen rund um das Hören und CI-Implantate hat die Universitätsklinik Heidelberg, Sektion Otologie, Neurootologie &  Cochlea Implantation, mit angegliedertem CI-Rehabilitationszentrum (CiRZ) in einem Online-Seminar gegeben. Themen des Online Seminars waren unter anderem die Hör- und Sprachtestverfahren, Operationen, Technik und Reha.

Bildschirmfoto des Online-Seminars in Heidelberg

Zeitpunkt für Cochlea-Implantation erkennen

Wann ist der richtige Zeitpunkt, sich intensiv mit einem Cochlea Implantat zu beschäftigen. Doktor Sara Euteneuer, Ärztliche Leiterin am CRIZ betonte, welche objektiven Messungen und Empfehlungen aus dem Weissbuch der der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf und Hals-Chirurgie für eine objektive Beurteilung herangezogen werden. Eine Beurteilung ist zum Beispiel: Nach aktuellem Kenntnisstand besteht eine CI-Indikation damit bereits ab einer Einsilberdiskrimination mit optimaler HG Versorgung von ≤ 60 % (bei 65 dB). 

Untersuchungen frühzeitig durchführen

Menschen, für die ein CI infrage kommt, sollten nicht zu lange mit der Untersuchung warten, rät Torsten Saile  vom Hörhaus Tuttlingen / DeinHörzentrum: „Warten Sie nicht zu lange mit einer Untersuchung der Ohren, wenn Sie merken, dass Probleme beim Verstehen da sind, dann handeln Sie schnell.“ Der Hör-Ingenieur  hat die Erfahrung gemacht, dass die Menschen viel zu lange warteten, ehe sie sich für Untersuchung entscheiden. Dadurch gehe wertvolle Zeit verloren.

Operationstechniken berücksichtigen

Ist die Entscheidung gefallen, ein CI zum implantieren, muss Dr. Sara Euteneuer ein besonderes Augenmerk auf die ausgefeilten Operationstechniken legen: Strukturerhaltend, sanft und möglichst tief in die Hörschnecke sollte die Elektrode gelegt werden. Eine besondere Bedeutung hat dabei das beidohrige Hören. Für die Lokalisation und das Trennen von Sprache im Nebengeräusch sind sowohl das Wahrnehmen mit beiden Hörorganen, als auch die zeitlichen Differenzen von Schallereignissen zu jedem Hörorgan von entscheidender Bedeutung. „Auch einseitig ertaubte Menschen können somit mit einem Hörimplantat von diesen Grundbedürfnissen der Orientierung und der besseren Sprachverständlichkeit im Nebengeräusch profitieren“, so Euteneuer.

Ziel: Berufliche Rehabilitation

Bestandteil einer guten CI-Versorgung ist auch die therapeutische Dimension der Rehabilitation. Gyde Peterson vom CI Rehabilitationszentrum Heidelberg verweist dafür auf die Zusammenfassung in der Leitlinie der DGHNO (2021): „Ziel ist eine berufliche und gesellschaftliche Inklusion sowie die aktive Möglichkeit der lautsprachlichen Kommunikation in angemessenem Zeitraum“. Dies betrifft mehrere Teilbereiche, so Petersen: 

  • Das Wieder-Einbezogen-sein in Alltagsstrukturen ,
  • gleichberechtigter Teil zu sein,  
  • Berufliches (an Teambesprechungen, Anrufe und Sprachverstehen im Gemeinschaftsbüro) und 
  • Privates (Vorträgen beiwohnen, Vereinsmitgliedschaften und Feierlichkeiten). 

Um diese REHA-Ziele zu erreichen sei allerdings auch immer die Mitarbeit der Personen gefragt, welche die REHA bestreitet. Getreu dem Motto: Aufnehmen, Weiterleiten, Verarbeiten und Bewusstwerden, so Petersen.

Hörtraining

Eine Schlüsselrolle falle dabei dem Hörtraining zu. Hierbei lenkt der Klient die Konzentration auf gewisse Schallreize und wendet diesen ganz bewusst seine Aufmerksamkeit zu. Im sicheren persnlichen Raum bekomme man dadurch Sicherheit und Selbstbewusstsein mit dem neu erlernten Hören. Dieses Selbstbewusstsein motiviere viele Patienten spätestens dann unter anderem eine Selbsthilfegruppe zu finden und an deren Treffen teilzunehmen. Petersen bezog sich auf Studien, in denen nachgewiesen wurde, dass eine erfolgreiche Kommunikation als wichtigste Quelle für positive Lebenserfahrungen gelten kann. Helfen können hierbei Zusatztechniken wie zum Beispiel drathlose Mikrofonanlagen.

Neue Trends in der Hörsystemversorgung

Eine weitere Verbesserung des Hörens können auch neue und verbesserte Systeme, wie zum Beispiel die Kopplung an das Smartphone und die Konnektivität der Hörsysteme via Bluetooth und im Bedarfsfall an die T Spule. 

Ein weiteres Thema ist die Messstechnik und die Möglichkeit von Hörsystemen, Cis oder auch ein Ci und ein Hörgerät auf dem Gegenohr („bimodale Versorgung“) so anzugleichen, dass der Höreindruck „in der Mitte“ ist, berichtet Torsten Saile aus der Praxis. Hierbei helfen dem CI-Akustiker die Würzburger Hörfeldskalierung. Klienten beschrieben deren neue Einstellung oft als „Mittig oder Zentral“.
Ein weiterer Aspekt für eine bessere Kommunikation sind Roger Mikrofonanlagen, die an jedes Hörsystem angekoppelt werden können. Besonders in akustisch schwierigen Situationen bedeuten diese Techniken einen Reichweitenverlängerer, sowohl beim Hörgerät als auch bei allen CI-Sprachprozessoren die auf dem Markt sind. Durch seine Mitarbeit im Arbeitskreis Hörakustik der Europäischen Union der Hörakustiker konnte er einen Ausblick geben, welche Messungen für die Krankenkasse wichtig sind die Mikrofonanlage auch erstattet zu bekommen.

Nur etwa 1/3 der Menschen mit Hörsystemen versorgt

Doch obwohl die technischen Möglichkeiten sehr groß sind, sind von den rund sechs Millionen siginfikant hörbeeinträchtigten Deutschen nur 37 Prozent mit Hörsystemen versorgt, erklärt

Madhuri Sharma Rao vom Universitätsklinik Heidelberg. Weltweit sehen die Zahlen sogar noch deutlich schlechter aus. Nur jede sechste behandlungsbedürftige Person ist im einem Hörsystem versorgt. Insgesamt zeige die Statistik folgende Daten. Von den weltweit rund 7,9 Milliarden Menschen leiden rund 1,5 Milliarden unter einem Hörverlust und 430 Millionen unter eine mittel-hochgradigen Hörverlust.

Gesundes Älterwerden

Die Folgen sind gravierend für die Betroffenen auf persönlicher, familiärer und gesellschaftlicher Ebene, so Rao. Dazu zählten Soziale Isolation, Verminderte Lebensqualität, erhöhte Abhängigkeit von Familienmitgliedern, Belastende Beziehungen durch schlechte Kommunikation, geringe Beteiligung an gesellschaftlichen Ereignissen und erhöhte gesamtgesellschaftliche Gesamtkosten durch Arbeitsausfall oder Krankheit. Rao betonte die dringende Notwendigkeit der Versorgung mit Hilfsmitteln wie Hörgeräten und Cochlea Implantaten. 

Nächstes Online-Seminar im September

Eine Fortsetzung des Online-Seminars ist am 17.09.2022 geplant. Dr. Euteneuer verwies dabei auf den deutschlandweiten  „Tag der Sinne“ Anfang Oktober hin. Motto ist „Altern mit allen Sinnen- Wie kann das gelingen?“.  Die Universitäts-HNO-Klinik plant mit der örtlichen Augenklinik und dem Netzwerk Altersforschung eine Veranstaltung


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