06. März 2017

„Ein ganz, ganz großer Moment in meinem Leben“

Schöner Hören: Unter diesem Motto feierte das CI-Kompetenzzentrum Mannheim am 3. März 2017 den 20. Jahrestag seiner ersten Cochlea-Implantation

Jerome Servais entschuldigte sich zunächst bei seinen Zuhörern: Es gab in der alten Brauerei neben dem Mannheimer Universitätsklinikum keine FM-Anlagen. Der Grund: Man habe mit rund 30 CI-tragenden Gästen gerechnet, aber mehr als hundert waren erschienen. So rasch konnten keine Anlagen in ausreichender Zahl beschafft werden – zwei Schriftdolmetscherinnen sicherten stattdessen die allgemeine Verständlichkeit der Vorträge.

Dr. Jerome Servais ist der Leitende Oberarzt der Mannheimer HNO-Uniklinik. Wie er diese Aufgabe versteht, wurde schon vor der Feier deutlich: Er begrüßte jeden Gast persönlich, und er führte auch durch das Programm. Warum er sich, nach Studien- und Lehrjahren in Innsbruck, Wien, London und St. Wendel, für die Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und die Konzentration auf Cochlea-Implantationen entschieden habe, begründete der gebürtige Belgier so: „Weil es auch als Arzt sehr gut tut, wenn Leute zu Ihnen kommen und sagen: Danke!“

„Zeit für den Menschen“

Servais hob zwei Besonderheiten des Mannheimer Wegs hervor: Erstens finde die Erstanpassung nach der OP grundsätzlich nicht in der Uniklinik, sondern in der stationären Reha-Klinik statt. Die UMM (Universitätsmedizin Mannheim) kooperiert dazu eng mit der Bosenberg-Klinik in St. Wendel. Servais: „Eine Rehaklinik hat den Vorteil, dass Sie  Zeit für den Menschen haben.“ Patienten könnten sich dort gleich in der ersten Woche nach der OP „voll aufs Hören konzentrieren“. Und das im Kontakt mit anderen CI-Trägern; auch das trage zum Gelingen der Therapie bei.

Zweitens arbeite die UMM bei der Langzeit-Nachsorge mit ausgewählten und speziell geschulten Hör-Akustikern zusammen. Für Patienten biete das den Vorteil kurzer Wege und kurzer Wartezeiten.

Leiter der HNO an der UMM ist Professor Dr. Karl Hörmann. Er machte aus seiner Freude und Genugtuung keinen Hehl, den 20. Jahrestag der ersten Mannheimer Cochlea Implantation allen zwischenzeitlichen Widerständen zum Trotz feiern zu können: „Für mich ist das ein ganz, ganz großer Moment!“

Hörmann (Jahrgang 1948) erzählte, wie er als Junge im donauschwäbischen Dillingen quasi im Schatten der dortigen Taubstummenanstalt aufgewachsen sei. Er habe oft bedrückende Szenen erlebt. Deshalb mache es ihn „unendlich glücklich“, heute erleben zu dürfen, wie hörgeschädigte Menschen dank dem CI auch im Alter noch „in die Welt der Hörenden integriert sind“. Er sei sehr dankbar, „dass ich an dieser Entwicklung teilhaben konnte.“ Kommunikation sei nun einmal die „entscheidende Voraussetzung, fit zu bleiben“.

Wie um dies zu demonstrieren, wurde die Mannheimer Feierstunde mit Beethovens „Mondscheinsonate“ eröffnet – am Flügel virtuos vorgetragen von dem CI-tragenden (!) Pianisten Werner Freckmann.

Die Geschichte des Mannheimer CI-Zentrums wäre bald nach der ersten Implantation fast schon wieder beendet gewesen. Die Kostenträger in Baden-Württemberg wollten Cochlea-Implantationen zunächst  nur am Zentrum Freiburg finanzieren. Erst nachdem andere Universitätskliniken dagegen erfolgreich vor Gericht gezogen waren, konnten auch in Mannheim wieder Implantationen erfolgen. Jahrelang blieb es allerdings bei einigen wenigen. Erst Jerome Servais baute als - auch therapeutisch ausgebildeter - Chirurg das Zentrum ab 2011 konsequent aus – unter Hörmanns Leitung und zu dessen Freude. Heute, so Servais, fänden in Mannheim jährlich rund hundert CI-Implantationen statt.

Wie man als Hörsystem-Trägerin „schöner hört“, berichtete Ursula Soffner. Ihre CIs sind wahre Schmuckstücke (siehe Foto) – von ihr selbst gestaltet. Vorträge zum aktuellen Forschungsstand und Diskussionen in Kleingruppen rundeten die Feier ab.

(Text und Fotos: uk)

 


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