Erasmus+: Mit Cochlea-Implantat in Georgien

13 junge Menschen mit CI erlebten Ende September einen Austausch der besonderen Art: Sie reisten für eine Woche in die georgische Hauptstadt Tiflis. Mara-Catarina de Matos Schenk und Nick Neumann waren dabei und teilen ihre Eindrücke.

Wie alles begann – von der Idee bis zur Umsetzung

(Mara) Ende September dieses Jahres machte sich eine Gruppe von CI-TrägerInnen für eine ganz besondere Jugend-Austauschbegegnung auf den Weg nach Tiflis, Georgiens Hauptstadt.

Maria Trinks, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des CIV Mitteldeutschland, entwickelte zuvor über ein Studienprojekt die Idee, im Rahmen ihrer Bachelorarbeit einen interkulturellen Austausch zwischen jungen CI - TrägerInnen in die Praxis umzusetzen. Dabei trat sie zunächst an Jan Röhrig, einen ehemaligen Teilnehmer des an dem durch die DCIG initiierten CI – Scouts – Projekts in Europa, heran, der hierüber bereits im Jahr 2019 tiefe Einblicke in die CI – Versorgung und in die Kultur Georgiens erhielt. Dank ihres Engagements und der Förderung durch das von der EU kofinanzierte Programm Erasmus + wurde ihre Projektidee, die Möglichkeiten und die Umsetzbarkeit eines an den Bedürfnissen hörgeschädigter Menschen angepassten, interkulturellen Austausches aufzuzeigen und sichtbar zu machen, Realität.

Gemeinsam mit zwei weiteren, engagierten CI – TrägerInnen stellten sie eine Delegation aus 13 deutschen, reisebegeisterten, jungen und jung gebliebenen Menschen zusammen, die mutig ihre Zweifel und Ängste überwanden – sich und als Person mit Hörschädigung - einer Fremdsprache und daraus oftmals resultierenden Kommunikationsschwierigkeiten zu stellen und sich für den Austausch anmeldeten. Nach einer langen Vorbereitungsphase durch das vierköpfige, deutsche Organisationsteam startete endlich, am 22. September, die einwöchige Reise in den Kaukasus.

Über die zahlreichen Eindrücke und Erlebnisse dieser Woche, die außergewöhnliche Begegnung zweier verschiedener Kulturen und darüber, was wir, sowohl fachlich bezüglich der CI –Versorgung in Georgien als auch für uns persönlich, aus dem Austausch mit nach Hause genommen haben, möchten wir, stellvertretend für die Gruppe, berichten.

Die Autorin und der Autor haben im Rahmen der Recherche die anderen Studierenden gefragt. Im  Artikel "Zwei Fragen an die Teilnehmer des Erasmus+ Programm in Georgien" sind deren Antworten zusammengefasst. 

Aufbruch nach Tiflis, Georgien

(Nick) Am Anreisetag konnte ich in der Nacht überhaupt nicht gut schlafen, weil ich mir viele Gedanken gemacht habe. Einige von uns mussten sehr zeitig aufstehen und manche hatten auch die Nacht durchgemacht. Wir trafen uns vor dem Abflug nach Tiflis alle gemeinsam im Münchner Flughafen am Gate, da wir alle aus verschiedenen Bundesländern kamen. Dort haben wir viele neue Gesichter gesehen und kennengelernt. Ich fand es sehr schön, neue Leute kennenzulernen. Nun stiegen wir alle gemeinsam in einem Flieger nach Tiflis. Als wir gegen Abend in Tiflis angekommen sind, mussten wir erst einmal, aufgrund strengerer Passkontrollen sehr lange warten. Ein Shuttle - Bus holte uns ab und brachte uns in das schöne Hotel Ramada by Wyndham Tbilisi.

Im Hotel erwarteten uns schon die georgischen TeilnehmerInnen und nach der kurzen Begrüßung habe ich sofort gemerkt, dass alle sehr aufgeschlossen und offen waren. Als ich daraufhin unsere Zimmeraufteilung erfahren habe, war ich überrascht, weil wir zu zweit mit zwei Georgiern im Zimmer unterbracht wurden. Erste Herausforderungen in der Sprache bemerkten wir schon kurz vor dem Zimmer, als wir uns unsere Namen vorgestellt haben und versuchten, sie in unserer eigenen Muttersprache auszusprechen. Die Aussprache war nicht so einfach, aber wir haben uns trotzdem irgendwie verstanden. Nach dem Auspacken der Koffer gingen wir alle gemeinsam zum Restaurant im Hotel.

Das Restaurant hat mich mit seinem georgischen Stil sehr beeindruckt. Es gab ein Mehr-Gänge-Menü und es war alles sehr sehr lecker. Typische georgische Spezialitäten sind zum Beispiel Badridschani, Megruli, Khajapuri und Khinkali. Eine georgische Teilnehmerin brachte uns bei, wie man Khinkali isst. Sobald ich satt war und ich eine kleine Pause einlegen musste, kamen immer weitere Mahlzeiten hinzu, die ich ebenso probieren wollte. Nach dem leckeren Abendessen fand eine kurze Kennlernrunde statt. Im Laufe des ersten Abends habe ich schon einige georgische Teilnehmer und Teilnehmerinnen kennengelernt und bereits gemerkt, dass die Kommunikation wirklich problemlos funktionierte. Da war ich wirklich erleichtert.

1. Tag – Ausflug zur versunkenen Kirche und gemeinsamer Kochkurs

(Mara) Die Woche begann sogleich mit einem Einblick in die faszinierende Landschaft und die Kultur Georgiens. So verließen wir am ersten Tag die Hauptstadt und fuhren mit dem Bus, vorbei an malerischen Bergdörfern, zu dem Stausee Schinwali, unter dem sich ursprünglich eine ganze Stadt befand. Einzig eine Kirche mit seinen umgebenden Mauern weist heute noch auf die mittelalterliche Stadt, die dem türkisfarbenen Stausee weichen musste, hin. Diese besichtigten wir auf einer kleinen Rundtour und ließen uns von einer der zwei Dolmetscherinnen, die uns während der gesamten Woche begleiteten, die spannende Geschichte dieses Ortes erzählen.

Weiter ging es zum Mittagessen zu einer georgischen Familie in den Ort Aranisi, wo unser Fahrer uns an einem für Georgien typischen, unbefestigten Straßenrand parkend, in spektakulärer Schieflage aber dennoch sicher, aus dem Bus entließ. Nachdem wir am Abend zuvor lernten, wie man Khinkali richtig isst, durften wir uns in dem wunderschönen Garten der Großfamilie nun auch in einem Kochkurs darin üben, wie man diese und weitere georgische Köstlichkeiten, wie die mit einer Walnusspaste gefüllten Auberginenröllchen Badridschani zubereitet. Alle halfen eifrig mit und sodann wurden wir zu einer langen, beeindruckenden Tafel mit zahlreichen, georgischen Speisen und dem speziellen Hauswein der Familie geladen. Untermalt mit musikalischen Beiträgen und kleinen Reden durch den Hausherrn der Familie, der in Georgien als Mitglied einer Volksmusikgruppe bekannt ist, genossen wir das üppige Festmahl. Viel zu tun hatten wir während der wiederholten Unterbrechung der Mahlzeit, um den Prost-Reden und guten Wünschen des Gastgebers zu lauschen und hierauf traditionsgemäß mit „Gaumarjos“, was übersetzt in etwa: „Auf den Sieg“ bedeutet, anzustoßen.

Als die Kinder der Familie uns nach dem Essen bei sonnig, warmen Wetter in dem Hof des Hauses ihre ganz eigene Version der georgischen Tanzkunst darboten, zeigte sich ein Moment, der vielen von uns in besonders schöner Erinnerung bleibt: Es bildete sich ein großer Kreis und einige georgische CI – TrägerInnen zeigten uns den Kartuli, einen traditionellen, georgischen Tanz. Einige deutsche TeilnehmerInnen trauten sich ebenfalls in die Mitte und ließen sich von ihnen führen. Natürlich ließen es sich auch die deutschen CI – TrägerInnen nicht nehmen, die georgischen TeilnehmerInnen anschließend in die deutsche Volksmusik mit seinen Standardtänzen einzuführen, unser Spezialgebiet war hier der Discofox. Der unvergessliche Nachmittag endete damit, dass alle Anwesenden zu internationaler Musik gemeinsam tanzten und sich offenbarte, dass Kulturverständigung und die Knüpfung internationaler Freundschaften keine Sprachbarrieren kennen. Alle TeilnehmerInnen traten an diesem Nachmittag ein großes Stück auf den anderen zu – durch die Sprache der Musik und des Tanzes.

Auf der Rückfahrt zurück nach Tiflis erlebten wir erstmalig den abenteuerlichen Verkehr in der georgischen Hauptstadt. Die Hauptverkehrszeit zwang unseren Busfahrer schlussendlich dazu, uns einen Kilometer vor unserem Hotel, aus dem Bus zu entlassen. So liefen wir, ausgerüstet mit den am Morgen gekauften Wasserrationen der Woche unter dem Arm, den Rest des Weges zum Hotel, wo wir am Abend im Wellnessbereich entspannten.

2. Tag – Einblick in die CI-Versorgung in Deutschland und Georgien

(Nick) Am zweiten Tag fand ein ganztägiges Programm im Seminarraum statt. Um die müden Geister zu wecken, wurden im Laufe des Vormittags viele Aufwärmspiele gespielt. Beispielsweise wurde auch unsere Gebärdennamen-Kennenlernrunde vom vorherigen Tag wiederholt oder es wurden lustige Standbilder zu Fragen, wie: „Ohne welchen wichtigen Gegenstand geht ihr nicht aus dem Haus?“ erstellt, die anschließend fotografisch festgehalten wurden. Die Spiele sorgten für viele Lacher und erreichten, dass die Stimmung in der Gruppe immer lockerer und kreativer wurde.

Nach dem Mittagessen erhielten wir mit zwei Vorträgen Einblick über die CI – Versorgung in Deutschland und Georgien. Anschließend wurde in Kleingruppen weiter ausgearbeitet, welches die Unterschiede und sogar Gemeinsamkeiten in der CI - Versorgung der einzelnen Länder sind. Hier haben wir schon viele Unterschiede feststellen können und zeigte uns einmal mehr, wie wertvoll medizinische Fortschritte sein können. Die erarbeiteten Gemeinsamkeiten und Unterschiede haben wir in einer Tabelle festgehalten, die in den darauffolgenden Workshop - Einheiten weiterhin zur Verfügung standen. Diese Tabelle kann nebenstehend über den QR – Code eingesehen werden.

Nach dem Abendessen hatte sich der Großteil der Gruppe zum Shoppen im größten Einkaufszentrum vom Tiflis verabredet. Weil ich, und einige weitere Herren, ungern shoppen gehen wollten, ließ ich mir von den georgischen TeilnehmerInnen das Nachtleben von Tiflis (oder Tbilisi, wie die Einwohner ihre Stadt nennen) zeigen. Sehr beeindruckend war, dass sehr viele Sehenswürdigkeiten mit Beleuchtung ausgestattet sind. Als wir uns im Anschluss im Einkaufszentrum getroffen haben, versuchten wir, die anderen von der Sightseeingtour im Dunkeln zu überzeugen. Obwohl viele müde waren, sind einige trotzdem mitgekommen und den gesamten Weg durch die schöne Altstadt zurück zum Hotel gelaufen. Mitten auf dem Weg zurück haben wir uns jedoch von plötzlichen lauten Knall-Geräuschen sehr erschrocken. Erleichtert stellen wir aber fest, dass es mitten über der Stadt ein Feuerwerk gab. Den wunderschönen Anblick konnten wir alle sehr genießen und so ging ein unvergesslicher Abend für alle zu Ende.

3. Tag – Aktivierung der Selbsthilfe und Keramikkurs

(Mara) Zu Beginn des darauffolgenden Tages durften wir zunächst unsere verborgenen Talente im kreativen Bereich, in Form eines Töpferkurses, entdecken. In einem kleinen Atelier mitten in Tiflis, umgeben von einem Hof mit zahlreichen Weinreben, die sich über unseren Köpfen entlangrankten, erschufen wir, in zwei Gruppen aufgeteilt, wahrliche Meisterwerke in verschiedenen Farben und Formen. Alle von uns erstellten Unikate wurden dem CI – Zentrum in Tiflis zur Verfügung gestellt, um den georgischen Kindern eine Freude zu bereiten.

Der über die gesamte Woche nicht abebbende, warme Enthusiasmus, mit dem die georgischen TeilnehmerInnen uns ihre Stadt und ihre Traditionen näherbrachten, zeigte sich auch in den kleinen Momenten des Tages. Während die zweite Gruppe töpferte und sich die erste Gruppe vor dem Atelier entspannte, entführte etwa ein georgischer Teilnehmer spontan zwei deutsche TeilnehmerInnen in ein Museum, das sich nur zwei Häuser weiter befand. In dem Ilia Chavchavadze Literary - Memorial Museum, das sich in dem ehemaligen Wohnhaus des Namensgebers befindet, erhielten sie einen landeskundigen Einblick darin, welchen maßgeblichen Einfluss das Haus, das in seinen Räumen verschiedene sozialpolitische Aktivisten beherbergte, auf die Rechte georgischer Frauen und ihren Zugang zu Bildung hatte.

Am Nachmittag schloss sich eine lebhafte und aktive Seminareinheit an, in der wir in Kleingruppen erarbeiteten, wie CI – TrägerInnen in Georgien niedrigschwellig die Selbsthilfe aktivieren und Selbsthilfegruppen gründen können. Neben der Vorstellung der Selbsthilfearbeit in Deutschland, entstanden in dieser Gruppeneinheit, durch den regen Austausch, unzählige Ideen, die die georgischen TeilnehmerInnen für ihre weitere Arbeit mitnehmen möchte, wie sie in einer anschließenden Feedbackrunde resümierte. Den Abend ließen wir an diesem Tag gemütlich mit geselligen Spielen und bei einer Erfrischung in der Rooftop-Bar des Hotels ausklingen.

4. Tag – Besuch des Reha-Zentrums und historischer Sehenswürdigkeiten

(Nick) Am vierten Tag stellte sich so langsam das Gefühl ein, dass die Woche sich dem Ende zuneigt, denn die Zeit verging ziemlich schnell. Wir besuchten das CI – Rehazentrum in Tiflis, welches uns brennend interessierte. Als wir in das Gebäude hereinkamen, konnte ich es kaum glauben, dass es wirklich ein CI – Zentrum ist. Das gesamte Gebäude ist ein historisches Kurhaus, in dem Heilung durch verschiedene Therapien und Massagen mit Schwefel stattfindet. Es gab eine kleine Führung im Erdgeschoss über die einzelnen Kurtherapien, manchmal war der strenge Schwefelgeruch ziemlich gewöhnungsbedürftig. Im Obergeschoss befindet sich auf einer Station das Hör-Rehazentrum. Überraschend war, dass sehr wenige Räume und wenig Technik vorhanden waren. Wir hatten viele Fragen an die Direktorin des Hauses, dessen Antworten und sprachlos machten. Trotz der vielen Gespräche, die wir bereits im Seminar geführt haben, waren wir verblüfft, wie enorm groß der Unterschied in der Rehabilitation zwischen Georgien und Deutschland ist. Besonders erschreckend war, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die für die Anpassung zuständig sind, sich das Wissen, über Fortbildungen, mühevoll selbst erarbeiten müssen und bei speziellen CI-Einstellungen vor enormen Herausforderungen stehen. Die Unterstützung durch die Kliniken nach der Implantation ist bisher kaum zufriedenstellend, da benötigte Informationen an das Hör-Rehazentrum nicht vollständig weitergegeben werden.

Auf dem Weg zurück zur Unterkunft, zeigte uns unsere Dolmetscherin die vielen historischen Sehenswürdigkeiten der Stadt. In Tiflis gibt es ein bekanntes Bäder - Viertel mit einem Thermalbad zu sehen, das heiße Schwefelquellen, benutzt, die unter der Stadt entlang fließen. Eine große Symbolkraft hat auch der Europaplatz mitten in der Altstadt, der den Frieden verkörpert. Mitten auf dem Platz steht ein Stück von der Berliner Mauer, das dem georgischen Präsidenten 2017 auf einem Deutschlandbesuch überreicht wurde und symbolisch für die georgisch - deutsche Freundschaft steht. Auch die Besichtigung einer orthodoxen Kirche oben auf einem der Hügel der Stadt durfte nicht fehlen. Die faszinierende Bemalung der Innenwände, die mit der Geschichte Georgiens zusammenhängen, habe ich so noch nie in Deutschland gesehen. Nach der Stadtführung genossen wir die schöne Aussicht vor der Kirche und drehten ein lustiges Video, in dem jeder seinen Namen in Gebärdensprache wiederholte. Anschließend standen uns noch einige Stunden Freizeit in der Stadt zur Verfügung und dann ging es weiter mit einer weiteren Gruppenarbeit, in dem unsere allgemeinen Eindrücke vom Besuch des Hörzentrums reflektiert wurden und wir Fragen hierzu stellen durften. Auch diesen Abend verbrachten wir gemeinsam mit geselligen Spielen und viel Spaß, sodass wir, wie an allen anderen Abenden, erst spät im Bett waren.

Letzter Tag – Gemeinsame Feedbackrunde und ein georgischer Abschlussabend

(Mara) Am letzten Tag wehte bereits am Morgen ein Wind der Wehmut durch die Gruppe. Die letzte Seminareinheit am Vormittag fand mit einer umfangreichen Feedbackrunde einen Abschluss, stimmte aber auch, unter anderem mit einer von dem Organisationsteam liebevoll erstellten Diashow der kreativen Standbilder des zweiten Tages, deren finale Vorstellung für viel Erheiterung sorgte, auf den Abschied ein. Ein besonders schönes Andenken machte eine georgische Teilnehmerin der Gruppe mit einer „Love Letter“- Box, in die am Tag zuvor jede der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an eine oder mehrere Personen mit positiven und wertschätzenden Worten verfasste Briefe einwarf. Diese „Liebesbriefe“ wurden im Anschluss an das Abschlussseminar an alle verteilt und riefen einen Moment der gerührten Stille im Raum und warme Blicke zwischen allen Anwesenden hervor.

Die anschließende Freizeit bis zum Abend nutzten einige, um in der Stadt letzte Souvenirs zu kaufen, andere entspannten ein letztes Mal im Wellness – Bereich des Hotels und packten bereits ihre Koffer - denn den Weg zurück in die Heimat trat die deutsche Gruppe noch in derselben Nacht an.

Für den letzten Abend arrangierte das Organisationsteam einen Besuch in einem heimischen Lokal, wo alle zusammen bei gutem Essen, einer Weinprobe sowie einer von professionellen TänzerInnen dargebotenen, georgischen Tanzshow, das in den vergangenen Tagen erlebte, Revue passieren ließen und in Erinnerungen schwelgten.

Wenngleich die politischen Unruhen, die das Land derzeit erschüttern, auch während dieser Woche nicht an uns TeilnehmerInnen vorübergingen. So wurde an diesem Tag bekannt, dass die georgische Regierung die Universität in Tiflis sanktioniert, nachdem viele Studierende für Freiheit und Demokratie auf die Straße gegangen sind. Die Sorge um eine Schließung der Universität und über weitere Eingriffe durch die Regierung war bei all der Heiterkeit ebenso Gesprächsthema am Abend, jedoch überwog die Freude über die überaus erfolgreiche Austauschbegegnung. Gemeinsam wurden neue Freundschaften zelebriert, Geschichten geteilt, viel gelacht und am Ende mitten im und um das Lokal herum getanzt. Eine letzte, nächtliche Stadttour zu Fuß über die hell beleuchtete Friedensbrücke zurück zum Hotel, bildete den krönenden Abschluss einer unvergesslichen Woche.

Der Abschied fiel in dieser Nacht umso schwerer – es flossen auf beiden Seiten Tränen. Die georgischen TeilnehmerInnen blieben kameradschaftlich mit der deutschen Gruppe wach, bis diese sich auf den Weg zum Flughafen machte. Es wurden Handynummern und Bilder ausgetauscht und ebenso das Versprechen, sich bald wiederzusehen.

Fazit: Erkenntnisse aus dem Jugendaustausch aus Sicht der TeilnehmerInnen

Insgesamt nehmen wir, als deutsche Gruppe, eine Reihe neuer Erkenntnisse von diesem Jugendaustausch mit.

(Nick) Vor einigen Monaten habe ich mir viele Gedanken gemacht. Es stellte sich für mich zum Beispiel die Frage, wie ich mich mit dem georgischen Menschen unterhalten kann, da Englischunterricht in der Schule nicht mein Lieblingsfach war. Als ich am ersten Tag in Georgien angekommen bin, habe ich einfach in der Gruppe angesprochen, dass ich kein Englisch kann. Überraschenderweise fand niemand es schlimm und wir versuchten, zunächst in Gebärdensprache zu kommunizieren. Die Gebärdensprache in Georgien ist fast so ähnlich wie bei uns. Wir konnten die Gespräche gut fortführen. In diesem Moment habe ich gemerkt, dass ich mir davor zu viele Gedanken gemacht habe und dass das Kommunikationsproblem schnell gelöst war. Mir ist sehr bewusst geworden, dass Englisch für Reisen im Ausland wichtig ist. Ich werde dann später mal bissel üben ;)

Während dieses Austausches fand ich es sehr schön zu erleben, dass die Georgier eine sehr große Offenheit haben und wir uns schon gleich am ersten Tag sehr gut miteinander verständigen konnten.
Eine wichtige Erkenntnis dieser Woche war für mich, dass man mit einer Hörschädigung eigentlich auf der ganzen Welt problemlos kommunizieren kann und das vielleicht sogar leichter, als hörende Menschen, weil wir die Verständigung mit „Händen und Füßen“ schon aus unserem Alltag kennen.

(Mara) Die Aufgeschlossenheit füreinander, sich spontan auf neue Kommunikationsformen einzulassen, war, durch diesen Umstand, von Beginn an groß und der Zugang zueinander ein leichter. Auch die enorm große Gastfreundschaft, mit der die georgische Gruppe uns empfing und die uns auch durch die gesamte Woche begleitete, ermöglichte uns, das Land, die Bräuche und die Menschen mit all ihrer Vielfalt und Schönheit kennenzulernen.

Neben den tiefen Einblick, den wir über die strukturellen Probleme in der CI-Versorgung und in der Nachsorge in Georgien erhielten, gingen alle TeilnehmerInnen bestärkt und mit neuen Ideen, bespielweise zu der Gründung der Selbsthilfe in Georgien als wichtiger Meilenstein für die Sichtbarkeit von CI-TrägerInnen in Georgien, aus der Woche hinaus.

Erlebte Empfindungen, wie Zusammenhalt, ein großes Gemeinschaftsgefühl und Selbstermächtigung, um, durch die Erarbeitung von Handlungsoptionen, äußeren Barrieren etwas entgegenzusetzen, sind wichtige Aspekte, die alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit zurück in den Alltag nehmen. Durch diese Begegnungswoche wurden den deutschen CI – TrägerInnen zudem die hohe Qualität der CI – Versorgung und CI - Nachsorge, die hohe Anzahl an Netzwerken und Verbänden sowie die umfangreiche Unterstützung durch diverse Träger in Deutschland einmal mehr bewusst.

Hoffnung auf ein Wiedersehen

Wir haben nicht nur interkulturelle Kompetenzen entwickelt und darüber hinaus ein neues Land und zahlreiche, herzliche Menschen kennengelernt, sondern auch ein Zusammengehörigkeitsgefühl über Ländergrenzen hinweg entwickeln können. Denn trotz der vielen Unterschiede zweier Kulturen bleibt die Tatsache, dass alle TeilnehmerInnen täglich um die Akzeptanz in einer hörenden Gesellschaft sowie gegen Barrieren im Alltag kämpfen müssen, der große, gemeinsame Nenner, der uns alle zusammenbringt. So ist diese Begegnung nicht nur ein interkultureller Austausch und ein Austausch vieler Erfahrungen rund um das Cochlea Implantat gewesen, sondern auch ein Austausch der vorbehaltslosen Unterstützung und der Menschlichkeit. Alle TeilnehmerInnen hoffen daher auf ein baldiges Wiedersehen, um diese ganz besondere Begegnung fortzuführen.

Nick Neumann und Mara-Catarina de Matos Schenk

 

 

 


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