19. November 2018

IT-Konferenz vernetzt Hörgeschädigte

Die DeafIT Konferenz am 9. November in München richtete sich an Gehörlose, Schwerhörige und CI-Träger, die in der Informations -und Technologie-Branche arbeiten. Ziel ist die Vernetzung ihres Fachwissens.

“Ich freue mich über das wachsende Interesse der Teilnehmer bei den DeafIT Konferenzen und möchte mich für die Unterstützung unseres Gehörlosenverbandes München und Umland e.V. als Träger unserer Aktionsgruppe, den IT-Unternehmen als Sponsoren und den Referenten bedanken. Es ist großartig, nun das 5-jährige Jubiläum zu feiern“, eröffnete Tobias Burz, Gründer des DeafIT-Teams und Ressource Manager & Senior IT Consultant bei der Atos GmbH, die Konferenz.

Nicole Weißkopf, Senior Community Managerin von CHIP Digital, referierte eingangs zum Thema Soziale Medien. „Gerade im digitalen Zeitalter sind die Sozialen Medien für Hörbehinderte ein großer Vorteil. Denn diese erhöhen die Chancen, einen schnellen Austausch auf beruflicher Ebene zu erzielen, und das Fachwissen ist dadurch stets auf dem neuesten Stand“, so Weißkopf. Sie berichtete von ihren beruflichen Erfahrungen mit Twitter, Facebook oder Xing. „Nun gibt es die Möglichkeit, sich von unterwegs auszutauschen und sich mit Kunden und Kollegen zu vernetzen. Es müssen keine Telefonnummern mehr nachgefragt werden.“ Vor allem das Know-how müsse stimmen, egal ob hörend oder nichthörend.

Im Anschluss folgte ein Vortrag von Julia Freudenberg, Leiterin der Hacker School in Hamburg. Seit der Gründung 2014 können Kinder und Jugendliche dort programmieren lernen. Freudenberg dazu: „Jedes Kind soll heutzutage programmieren können, wenn es möchte. Die Kurse sind inhaltlich barrierefrei. IT-Spezialisten, sogenannte Inspirer, bauen in Wochenendkursen mit den Teilnehmern Plug-Ins für Minecraft, trainieren Alexa und entwickeln kleine Spiele.“

Künstliche Intelligenz (KI)
Auch Uta Meißner von der Workplace Solution GmbH setzt auf Spiele: „Durch diese wollen wir mehr Daten gewinnen und so KI-Modelle trainieren. In den kommenden Jahren soll der delegs-GebärdenSchrift-Editor mit den Mitteln von Gamification und KI leichter zugänglich gemacht werden.“ Der delegs-GebärdenSchrift-Editor ist eine kostenlose Online-Plattform zur Erstellung von Texten in GebärdenSchrift und ohne Installation nutzbar. Im Unterricht sei der delegs-Editor ein optimales Mittel zur Gegenüberstellung von Deutsch und Gebärdensprache. Während ihres Vortrags stellte Meißner außerdem verschiedene Ideen vor, wie das Anonymisieren von Gebärdenvideos durch Avatare.

Vincent Rothländer, CEO bei vinrotlab, referierte über den Microsoft Flow, einen Workflow, der automatisierte Prozesse und Aufgaben unterstützt. „Dabei kann es sich um einen persönlichen Workflow handeln oder um einen zentralen Geschäftsprozess“, sagte Rothländer.

Harald Uebele, Technical Sales Specialist der IBM Watson & Cloud Platform bei IBM Deutschland, berichtete vom Internet of Things (IoT), einem kognitiven System, das Informationen aus der physischen Welt aufnimmt und daraus lernt und die Welt intelligenter macht. Durch die Kombination von IoT-Daten mit Cognitive Computing könnten Firmen Einsichten gewinnen, um Bereiche ihres Betriebes zu verbessern. „Einer unserer Kunden hat eine Bäckerei. Wir liefern ihm stets die Wetterdaten. Dementsprechend gibt es z.B. Obst- oder Schokoladenkuchen“, erklärte Uebele.

Bei Florian Gilcher, Geschäftsführer der asquera GmbH, ging es um „Rust“ eine neue, systemnahe Programmiersprache von Mozilla Research. Rust wachse stark. „Die Programmiersprache wurde entwickelt, um eine sichere, praxisnahe Sprache zu sein. Sie tritt in Konkurrenz mit anderen höheren Programmiersprachen“, erläuterte Gilcher. Rust habe eine gute Fehlermeldung und garantiere eine hervorragende Code-Qualität.

Digitale Inklusion
Dr. Irmhild Rogalla, wissenschaftliche Leiterin des Instituts PI, stellte die Ergebnisse des aktuellen Gutachtens „Innovationsprozesse digitaler Technologien für die bessere Teilhabe von Menschen mit Behinderungen“ vor. So gebe es z.B. den NVDA Screenreader, einen Bildschirmvorleser für blinde Computernutzer, oder die beiden kostenlosen Apps Greta & Starks, die Seh- und Hörbehinderten ein barrierefreies Kinoerlebnis durch Audiodeskription oder Untertitel ermöglichen. „Das Gutachten verdeutlicht, dass die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen und insbesondere von Gehörlosen derzeit weder hinreichend bekannt sind, noch berücksichtigt werden“, betonte Rogalla.

Entwickler mit Behinderungen seien zudem der Erfolgsfaktor Nummer 1, wenn es um echten Nutzen gehe. Mit einem „Kompetenzzentrum - Digitale Inklusion“, in dem geforscht, entwickelt und beraten wird, ließe sich vieles ändern, meinte sie weiter. In einer anschließenden Diskussion wurden dazu Anforderungen und Ideen gesammelt.

Ebenfalls um Barrierefreiheit ging es beim Thema „Hand Talk“, ein Online-Übersetzer mit einem Avatar namens Hugo. „Hugo soll hörgeschädigten Menschen einen barrierefreien Zugang im Internet ermöglichen“, erklärte Joaquim Amado Da Silva Júnior, Gründer der World Deaf Tech aus Brasilien. Der 3D-Charakter mache Kommunikation interaktiv und leicht verständlich.

Passwortbasierte Attacken und bessere Performance
„Jede Anwendung benötigt ein Passwort“, sagte Roman Kuznetsov, Geschäftsführer der Systola GmbH. „Ein Passwort Manager kann helfen. Allerdings können Programme auch sichere Passwörter auslesen.“ Die passwortbasierten Attacken seien in den letzten Jahren gestiegen: „Bei Yahoo gab es z.B. drei große Angriffe und schon ging die User Base zurück.“. Sein Vortrag zeigte, welche Möglichkeiten es heutzutage gibt, die Anmeldeprozesse neu zu gestalten, um die Sicherheit der Benutzer und Firmen zu erhöhen. Dabei setzt er auf SystoLOCK, eine Zweifaktor-Authentisierung, die bei der Anmeldung mit Einmalkennwörtern und PIN auskommt.

Seit der Markteinführung des iPhones hat sich das Internet enorm weiterentwickelt. Es wird inzwischen überwiegend mobil genutzt. Jo Spelbrink, Developer & Accessibility Consultant bei der österreichischen Zensations GmbH dazu: „Unternehmen benötigen eine niedrigere Absprungrate, eine leichtere Auffindbarkeit und eine bessere Accessibility, also mehr Barrierefreiheit.“ Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, bewerte Google seit diesem Sommer Webseiten strenger. Es verlange nun eine bessere Performance und lege mehr Wert auf Accessibility.

Mensch und Maschine
Alexey Prikhodko, Doktorand der Staatlichen Technischen Universität Nowosibirsk, referierte zum Thema „Gebärdenspracherkennung mit Deep Learning”. Deep Learning ist ein Machine Learning Bereich, der Computer trainiert, anhand von Beispielen zu lernen. „Meine Studien beschäftigen sich mit der Entwicklung eines SL-Gestenerkennungs-Frameworks unter Verwendung von Deep Learning aus der HamNoSys-Transkription“, erklärte der Doktorand. Die Hand wird mit Koordinaten vermessen und die Ergebnisse werden in einen Algorithmus eingepflegt, so dass das Modell automatisch immer besser wird. „Nicht nur die Objekterkennung, sondern die spezialisierte Gebärdenerkennung entwickelt sich dadurch immer weiter“, versicherte Prikhodko.

Um Webentwicklung ging es beim Vortrag von Florian Katzmayr, Web Entwickler an der österreichischen IMC FH Krems. Er präsentierte eine Übersicht zu aktuellen Themen, Technologien und Produkten für das Web Development. Katzmayr ging darauf ein, wie man Entwickler werden kann, welche Planung dazugehört und welche Technologien es für die Webentwicklung gibt.

Zu guter Letzt gab es einen Vortrag mit anschließender Diskussion von Manuel Gnerlich, freiberuflicher Software-Berater und Trainer des Open Mind IT-Trainings, zum Thema „Chancen und Risiken der Künstlichen Intelligenz in der Gehörlosengemeinschaft“. Gnerlich erklärte, was künstliche Intelligenz ist, was diese braucht und wo sie eingesetzt wird. „Positive Beispiele sind für mich Googles LipNet, der telefonische Sprachassistent Google Duplex sowie Avatare, die die Gebärdensprache in Texte übersetzen und umgekehrt“, führte Gnerlich aus. Negative Beispiele seien für Gehörlose digitale Sprachassistenten wie Siri oder Alexa. Zudem würden Chatroboter Gehörlose am Arbeitsplatz isolieren.

Alles andere als isoliert waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Jubiläumsveranstaltung. Denn die 5. DeafIT Konferenz war nicht nur gespickt mit vielfältigen Themen aus der IT-Branche, sondern hat ihr Ziel – den Austausch und die Vernetzung des Fachwissens zahlreicher IT-Leute – mit Bravour erreicht. (nr)


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