14. Oktober 2020

Was macht eigentlich ein Integrationsfachdienst?

Integrationsfachdienste sind Beratungsstellen zum Thema Arbeit und Behinderung. Es gibt sie in Deutschland in jedem Bundesland. Wann man sich an sie wenden kann, erläutert Hans-Joachim Dietrich vom IFD Potsdam.

Der IFD ist Ansprechpartner sowohl für den schwerbehinderten Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber. Auch bei selbständiger oder verbeamteter Tätigkeit kann der IFD hinzugezogen werden. Der IFD ersetzt nicht die Zuständigkeiten der Bundesagentur für Arbeit oder anderer Behörden, sondern soll die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unterstützen und schnittstellen- und leistungsträgerübergreifend tätig sein. Selbst wenn noch keine Feststellung einer Schwerbehinderung beantragt wurde, kann der IFD Menschen zu diesem Thema beraten.

Die gesetzliche Grundlage
Die Grundlage für die Arbeit des Integrationsfachdienstes (IFD) ist das Sozialgesetzbuch (SGB) IX. In § 192 Abs. 1 SGB IX steht: „Integrationsfachdienste sind Dienste Dritter, die bei der Durchführung der Maßnahmen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben beteiligt werden.“ Schwerbehindert ist, wer einen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 zuerkannt bekommen hat. Es können aber auch behinderte Menschen mit einem GdB von 30 oder 40 begleitet werden, wenn sie einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind. Die Gleichstellung wird bei der Agentur für Arbeit beantragt.

Für wen der IFD zuständig ist
Da es um die Teilhabe am Arbeitsleben geht, sollte ein Arbeitsvertrag zumindest in Aussicht sein, damit der IFD tätig werden kann. Das Hauptaufgabenfeld des IFD ist die Begleitung am Arbeitsplatz, nicht die Vermittlung in Arbeit. Der IFD arbeitet im Auftrag des Integrationsamtes, trifft selbst aber keine Entscheidungen. Die Beanspruchung des Dienstes ist kostenlos.

An die Fachberater für hörbehinderte Menschen kann man sich beispielsweise mit einer beginnenden Schwerhörigkeit wenden oder bei Ertaubung oder wenn man von Geburt an bereits stark schwerhörig oder gehörlos ist. Beratungen können sowohl lautsprachlich als auch schriftsprachlich oder in Gebärdensprache geführt werden.

Egal ob aufgrund einer Hörbehinderung eine neue Tätigkeit begonnen werden soll oder eine bestehende Arbeit mit notwendigen Anpassungen fortgeführt werden soll – die jeweiligen Ideen dazu lassen sich im Austausch mit dem IFD oftmals besser in ein Gesamtkonzept einbetten, als man dies als Einzelkämpfer schaffen kann.

Der IFD vor Antritt einer neuen Stelle
Soll ein neuer Arbeitsvertrag geschlossen werden, gibt der Fachberater den so genannten Klienten und dessen künftigen Arbeitgeber auf Wunsch einen ersten Überblick über mögliche Leistungen verschiedener Behörden und informiert gegebenenfalls über Besonderheiten im Umgang mit der Behinderung im Zusammenspiel mit den neuen Kolleginnen und Kollegen. So gibt der IFD Hinweise zur behinderungsgerechten Arbeitsplatzausstattung oder zu organisatorisch relevanten Aspekten und begleitet sowohl Antragstellungen als auch den Arbeitsbeginn dort, wo dies sinnvoll erscheint.

Wenn Probleme auftreten
Es ist oftmals ratsam, sich bereits beim Auftreten von Schwierigkeiten Unterstützung zu holen, bevor die Problemlagen zu groß, unübersichtlich und letztlich unüberwindbar werden. Solche Unterstützung können bspw. unternehmensintern Betriebs- oder Personalräte, Schwerbehindertenvertretungen oder Vertrauenspersonen oder als externer Unterstützer der IFD sein. Gemeinsam mit diesem können Sie individuelle Ansatzpunkte und Vorgehensweisen erarbeiten und diese schrittweise angehen. Der IFD unterstützt dann die gemeinsam erarbeiteten weiteren Schritte wie Antragstellungen oder ähnliches und begleitet die Klienten auch danach weiter, bis eine entsprechende Umsetzung der individuellen Lösungsansätze am Arbeitsplatz erreicht ist. Die Menschen, die zum IFD kommen, entscheiden selbst, welche der gemeinsam erarbeiteten Möglichkeiten Sie nutzen möchten und welche nicht.

Weiterhin bleibt der IFD ein Ansprechpartner, wenn es beispielsweise Probleme in der Zusammenarbeit mit Kollegen gibt, wenn es behinderungsbedingte Probleme bei der Erledigung der Arbeitsaufgaben gibt oder schlichtweg Veränderungen der Arbeitsumgebung neue individuelle Lösungsansätze zu deren erfolgreichem Meistern erfordern.

Unterstützungsmöglichkeiten
Für den hörbeeinträchtigten Arbeitnehmer selbst ist bei der Einstellung die sprachliche Kommunikation meist ein wichtiges Thema. Es wird die Sinnhaftigkeit und Möglichkeit von technischen Hilfsmitteln wie einer Übertragungsanlage erörtert und geklärt, ob die vorhandene Technik wie zum Beispiel Hörgeräte den Ansprüchen genügen. Auch das Thema Arbeitsassistenz spielt oft eine gewichtige Rolle, egal ob in Form von Gebärdensprach- oder Schriftdolmetschern. In allen Punkten begleitet der Fachberater des IFD die Prozesse, er gibt erste Informationen, verschafft Kontakte und hilft bei der Antragstellung. Zudem steht er bei Bedarf im Austausch mit den entsprechenden Sachbearbeitern im Integrationsamt oder bei anderen Leistungsträgern. Daher ist es sinnvoll, vor Abschluss eines Arbeitsvertrages den IFD zu konsultieren, gerade bei Leistungen, die vorher beantragt werden müssen. Denn woher weiß man, welche Leistungen es überhaupt gibt und bis wann diese beantragt werden müssen?

Im Folgenden ein Praxisbeispiel zur Veranschaulichung. In diesem Fall ist es ein gehörloser Klient, was aber genauso gut auf einen Hörgeräte- oder CI-Träger übertragen werden kann:

Der gehörlose Klient hatte sich bei einer Behörde beworben. Der Arbeitgeber schaltete von Anfang an den IFD ein, so dass dieser schon beim Vorstellungsgespräch mit anwesend war und zu Förderleistungen unter anderem wegen Neuschaffung eines Arbeitsplatzes beriet. Da in mehreren Gebäuden gearbeitet wird, welche auf einem weitläufigen Gelände verteilt sind, wurde der Arbeitgeber auch zur Gehörlosenalarmierung per Vibration beraten. Der IFD nahm Kontakt mit entsprechenden Firmen auf und organisierte einen Vor-Ort-Termin. Der Kostenvoranschlag wurde bei der Bundesagentur für Arbeit samt Antrag eingereicht, von dieser jedoch an die Deutsche Rentenversicherung weitergeleitet.

Der IFD begleitete den Antragsprozess und schaltete sich, da die Antragsprozedur sich einige Monate hinzog, schließlich sogar aktiv ein. Auch die Einarbeitungsphase begleitete der IFD mit telefonischem Kontakt und Gesprächen vor Ort sowohl mit dem gehörlosen Mitarbeiter als auch den Kollegen und Vorgesetzten, in welchen Fragen geklärt und Hilfestellungen gegeben wurden. Etwa drei Monate nach Einstellung erfolgte zudem eine Mitarbeiterschulung, in welcher die Kollegen über die Auswirkungen von Hörschädigungen aufgeklärt und zu Kommunikationsstrategien informiert wurden. Anfang dieses Jahres hatte der Arbeitgeber Fragen zum Fahrsicherheitstraining und zur Arbeitsassistenz. Es wurde überlegt, wie ein Fahrsicherheitstraining mit einem gehörlosen Teilnehmer durchgeführt werden kann. Zudem wurde besprochen, wie für Mitarbeiter- und Schwerbehindertenversammlungen sowie Inhouse-Schulungen die Kommunikation abgesichert werden kann. Dies wurde in Gesprächsrunden beraten und der entsprechende Antrag ausgehändigt. Nach Antragstellung erstellte der IFD im Auftrag des Integrationsamtes eine fachdienstliche Stellungnahme, welche dem Sachbearbeiter dann mit als Grundlage für den Bescheid dient.

Da sich die Zuständigkeit des IFD nach dem Arbeitsort richtet, ist es mitunter etwas kompliziert, sich selbst den zuständigen IFD herauszusuchen. Wenden Sie sich daher an einen IFD in Ihrer Nähe und informieren Sie sich dort über die Zuständigkeit in Ihrem konkreten Fall.

Die Fachberater des IFD im Land Brandenburg zum Beispiel erreichen Sie über die Webseite:
www.ifd-brandenburg.de

Eine Übersicht der bundesweiten IFD finden Sie über die Webseite der BIH/Integrationsämter:
www.integrationsaemter.de/ifd

Hans-Joachim Dietrich

Zur Person
Hans-Joachim Dietrich (Foto: privat) wurde 1968 in Detmold geboren und ist seit Geburt schwerhörig. Nach dem Erwerb der mittleren Reife absolvierte er eine dreijährige Ausbildung zum Kfz-Mechaniker.Er holte 1992-1994 das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg nach und studierte an der Fachhochschule Potsdam die Fachrichtung Sozialwesen. Mit dem Abschluss als Diplom-Sozialarbeiter/Sozialpädagoge (FH) ist er seit 2002 beim IFD zuerst in Cottbus und nun in Potsdam tätig. Ehrenamtlich ist er als 1. Vorsitzender beim DSB – Landesverband der Schwerhörigen Brandenburg e.V. engagiert.

 


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