26. Juni 2020
Im Dialog mit meinem Hörzentrum
CI-Trägerin Veronika Fischhaber wurde im Frühjahr positiv auf Covid-19 getestet. Während der Quarantäne führte sie diesen fiktiven Dialog mit ihrem Hörzentrum im Gehirn.
Die Idee, den untenstehenden fiktiven Dialog mit meinem auditorischen Cortex, dem Hörzentrum im Gehirn, zu führen, habe ich von Ursula Soyez (Schnecke 108, S. 32).
Seit September 2019 arbeite ich als angehende Kindheitspädagogin in einem Kinderhaus mit einer Krippengruppe und drei Kindergartengruppen. Viele Kinder auf einem Haufen können laut sein. Das sollte für mich als CI-Trägerin jedoch kein Hindernis sein, meinem Berufswunsch nachzugehen.
Am Freitag, den 13. März 2020, wurde verkündet, dass bayerische Kitas und Schulen für mindestens fünf Wochen, abgesehen von der Notbetreuung, geschlossen bleiben. Wer annimmt, dass sich meine Ohren währenddessen erholen können, liegt falsch. Schließlich bringen auch die Umstände durch die Corona-Pandemie einige Hör-Herausforderungen. Ein Einblick:
Veronika: Hallo liebes Hörzentrum, ich wünsche Dir frohe Ostern trotz oder gerade während dieser ungewöhnlichen Zeiten!
Hörzentrum: Danke, Vroni, das wünsche ich Dir auch! Sag mal, fühlst Du Dich während der Quarantäne denn einsam?
Veronika: Natürlich hätte ich mich gefreut, das Osterfrühstück wie gewohnt nach dem Osternachtsgottesdienst und gemeinsam mit meiner Familie zu genießen. Ich akzeptiere die Situation aber so wie sie ist und fühle mich nicht einsam. Mit Gott und anderen Gläubigen bin ich über gestreamte Gottesdienste verbunden. Der gestrige „Bleib-zuhause-Gottesdienst“ hat in mir dann doch eine frohe Osterstimmung ausgelöst. Ich kann mich auf meine Freunde und auf meine Nachbarn verlassen! Obwohl sich meine Quarantäne durch die eigene Erkrankung an Covid-19 verlängert hat, erreichen mich nach wie vor viele Hilfsangebote und ich habe gelernt, diese auch anzunehmen. Ebenso viel bedeutet mir der Austausch mit den Nachbarn vom Balkon aus. Ist das nicht auch für Dich eine ziemliche Herausforderung, diese aus der Distanz zu verstehen? Es wäre in solchen Situationen schon praktisch, wenn alle gebärden könnten, gell? Dann müsste man nicht so schreien und wir uns beim Verstehen nicht so sehr anstrengen.
Hörzentrum: Ja, das kann schon anstrengend sein, vor allem, wenn Du nur mit einer der beiden Hörhilfen nach draußen gehst. Aber Du hast ja auch dazu gelernt und nimmst inzwischen sowohl Dein CI als auch Dein Hörgerät mit, auch wenn Du nur kurz zum Briefkasten oder zur Mülltonne gehst. Das hilft mir schon enorm und ich unterstütze Dich, wo ich kann, damit Du Dich nicht allein gelassen fühlst.
Veronika: Vielen lieben Dank dafür! Ich dachte mir schon, dass das nicht immer leicht ist, aber wir wachsen an unseren Herausforderungen. Vielleicht können wir es nebenbei als Hörtraining ansehen?! Und wie sieht es mit den stundenlangen Telefonaten und Video-Calls für Dich aus?
Hörzentrum: Das ist möglich. Du tust mir ja auch den Gefallen, dass du hierfür meistens deine FM-Anlage, den Roger Select, benutzt. Das vereinfacht mir das Verstehen ungemein! Vielleicht könntest Du diese zukünftig noch häufiger einsetzen?
Veronika: Ja, darauf werde ich achten. Du darfst mich auch daran erinnern, falls ich es wieder mal vergessen sollte oder mir denke: „Ach, das dauert nicht so lange. Das schaffe ich ohne Zusatzgeräte“. Als ich am Karfreitag telefonisch über das positive Testergebnis informiert wurde, hast du darum gebeten, mehrmals nachzufragen. Liege ich mit der Annahme richtig, dass du es zwar verstanden hast, es aber nicht wahrhaben wolltest?
Hörzentrum: Ja, völlig richtig! Es war schon erst mal ein Schock. Und da sollten jegliche Missverständnisse einfach ausgeschlossen werden. Ich bin aber sehr froh, dass alle Krankheitssymptome inzwischen deutlich nachgelassen haben.
Veronika: Ja, das bin ich auch. Eine weitere Hör-Herausforderung ist übrigens das Verstehen von Menschen, die einen Mundschutz tragen, oder?
Hörzentrum: Ja, das hast Du richtig beobachtet. Dadurch, dass Du seit über zwei Wochen in häuslicher Quarantäne bist, gibt es ja gar nicht so viele Begegnungen mit Menschen, die einen Mundschutz tragen. Meine bisherige Erfahrung ist jedoch, dass es bei Benutzung von gebräuchlichem Mundschutz, den ich auch von Zahnarztbesuchen kenne, schon nicht leicht ist. Noch schwieriger ist es bei den Ärzten und medizinischen Fachkräften, die einen speziellen Mundschutz tragen. Hinzu kommt der Sicherheitsabstand von mindestens 1,5 Metern. Aber ganz klar: In diesem Falle geht der Schutz vor!
Veronika: Und wie könnte ich Dich unterstützen, dass das nicht gar so anstrengend ist.
Hörzentrum: Du könntest Dich häufiger trauen und nachfragen, wenn Du etwas nicht verstehst. Und zwar so lange, bis Du es verstanden hast. Und mach weiterhin regelmäßige Hörpausen, währenddessen wir uns beide zurücklehnen und entspannen können! Jetzt hätte ich noch eine andere Frage an Dich: Was fehlt Dir denn momentan am meisten?
Veronika: Hmm, gute Frage: Das Zusammensein mit meiner Familie und Freunden sowie die Berührungen mit meinen Mitmenschen. Aber auch das Spazierengehen und Radtouren in der Natur. Und das Musizieren. Seitdem Atembeschwerden aufgetreten sind, pausiere ich erst mal das Klarinette spielen. Aber umso mehr werde ich solche nicht selbstverständlichen Dinge schätzen, sobald die eigene Krankheit und die weltweite Corona-Pandemie überstanden sind. Vielleicht erkennen wir im Nachhinein auch die Chancen.
Veronika Fischhaber
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