8. März 2021

„Mach doch mal einen Hör-Spaziergang“

Spazieren gehen hält fit. Die Bewegung an der frischen Luft tut Körper und Geist gut. Aber auch das Hören profitiert von einem Spaziergang. Moment mal, wie soll das denn funktionieren? Isabellé Klemm berichtet, was es mit den Hör-Spaziergängen auf sich hat.


Foto: iStock/LukaTDB


Die letzten Monate wurde unser Leben auf den Kopf gestellt. Plötzlich gilt es Abstand zu halten und soziale Kontakte auf ein Minimum zu beschränken. Veranstaltungen und Termine wurden abgesagt und vielerorts gilt die Maskenpflicht. Das fordert nicht nur unsere Psyche und unser Wohlbefinden heraus, sondern auch unser Gehör!

Normalerweise wird unser Gehör täglich trainiert. Beim Einkaufsbummel am Markt, beim Spaziergang durch die Stadt, im Wartezimmer beim Arzt, beim Kinobesuch, bei der Fahrt in der U-Bahn, beim Konzertbesuch oder beim Treffen mit unseren Liebsten und Bekannten – ständig wechseln die Geräusche in unserer Umgebung und bringen so stets neue Reize an unser Hörzentrum. Doch in Zeiten der COVID-19-Prävention und des Lockdowns erfolgte die soziale Isolation. Die abnehmenden sozialen Kontakte können nicht nur zu Einsamkeit und Traurigkeit führen, sondern auch unser Gehör negativ beeinflussen.

Sozialer Rückzug führt zu Hörentwöhnung

Das Ausbleiben ständig wechselnder Reize führt zu einer sogenannten „Hörentwöhnung“. Das Hörzentrum gerät also außer Übung. Das Problem: Je länger die Hörentwöhnung dauert, desto schwerwiegender sind ihre Auswirkungen.

Mit den ersten Lockerungen begeben wir uns vielleicht wieder mehr in unser altes Leben zurück und treffen uns wieder in größeren, geselligen Runden mit Familie und Freunden. Vielleicht haben wir dabei das Gefühl, dass das Hören beim Stammtisch oder der Familienfeier auf einmal so anstrengend ist. Schnell sind wir müde, erschöpft und fragen uns, ob das vor Corona auch schon so schlimm war.

Womöglich glauben wir, dass es in solchen Situationen einfach nicht mehr geht und beschließen, nicht mehr oder nicht mehr so oft und lange an solchen Ereignissen teilzunehmen. Dies wiederum führt zu einer sozialen Isolation, welche weitere negative Folgen auf unsere Gesundheit hat.

Auch in der Schwerhörigenseelsorge der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern mussten viele Veranstaltungen aufgrund der aktuellen Lage abgesagt werden. Besonders unsere regelmäßig stattfindenden Formate „HörMomente“ und „CI-Abend“ konnten nicht mehr wie gewohnt in unseren Räumen durchgeführt werden. Eine andere Lösung musste her. So entstand die Idee des „HörSpaziergangs“.

Outdoor-Training fürs Ohr

Beim Hör-Spaziergang wird das Draußensein mit (informellem) Hörtraining verbunden. In Pandemiezeiten können die notwendigen Abstände eingehalten werden, Platz ist draußen genug. Dort lauschen wir den Umgebungsgeräuschen. Unser Hören wird durch dieses bewusste Horchen trainiert. Unsere eigenen Unterhaltungen finden vor dem Hintergrund dieser Nebengeräusche statt. Damit sie sich nicht allzu störend auswirken, suchen wir entsprechende Orte auf, die eine „sanfte“ Geräuschkulisse bieten, vor denen wir uns gegenseitig zuhören und so Hören und Verstehen üben.

Im August 2020 war es dann soweit: Nach den ersten Lockerungen der Präventionsmaßnahmen konnten wir uns gemeinsam wieder langsam an das Hören in einer Gruppe herantasten. Wir machten den ersten Spaziergang dieser Art in einem für alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen gut zu erreichenden Stadtpark Nürnbergs.

Wir trainierten also das Hören, indem wir uns in etwas schwierigere Situationen begaben: Windgeräusche, Stadtgeräusche und das Verstehen anderer Menschen, denen zuzuhören wir nicht (mehr) gewohnt sind…

An der frischen Luft tauschten wir uns über das Thema Hörbehinderung aus. Diese neue Hörsituation war ungewohnt und teilweise anstrengend. Dennoch verlängerten wir spontan den HörSpaziergang, als wir merkten, wie gut er uns tat.

Dies war sicher nicht der letzte Hör-Spaziergang.

Isabellé Klemm
Schwerhörigenseelsorge der evang.-luth. Kirche in Bayern
Lorenzer Platz 8
90402 Nürnberg
www.shs-elkb.de

Diesen Bericht verdanken wir dem BayCIV, der auf seiner Internetseite eine Reihe von Aktivitäten in der Pandemie veröffentlicht hat. 


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