21. März 2016

Auf die Qualität kommt es an – auch bei der Anpassung von CI-Systemen

Mit der Operation ist es nicht getan. Der richtigen audiologisch-technischen Anpassung und Kontrolle von CI-Systemen kommt entscheidende Bedeutung bei der Wiederherstellung des Hörvermögens von Cochlea-Implantat-Trägern zu. Fehler und Versäumnisse können ernste Konsequenzen haben. Es fehlt an klaren Vorgaben. Komplikationen häufen sich.

Cochlea Implantat Systeme werden nach dem Medizinprodukte-Gesetz als aktive, implantierbare Geräte in die höchste Risiko-Sicherheitsklasse III eingestuft, weil eine unmittelbare Anwendung am zentralen Nervensystem erfolgt. In dieser Risikoklasse werden beispielsweise auch Herzschrittmacher, Herzkatheter und künstliche Gelenke eingeordnet.

Die Anpassung des externen Gerätes zur Ansteuerung des Implantats (CI-Prozessor) unterscheidet sich deshalb grundlegend von der Anpassung konventioneller Hörgeräte. Ziel ist eine individuelle  Festlegung zahlreicher Stimulationsparameter zur Steuerung der elektrischen Reizung des Hörnervs als Voraussetzung für eine bestmögliche Hörleistung. Darüber hinaus sind elektrophysiologische Messungen unter Nutzung der Telemetrie-Funktion des Implantats im Rahmen der CI-Nachsorge erforderlich.

Nach der Medizinprodukte-Betreiberverordnung dürfen Cochlea Implantate nur von Personen angewendet werden, die dafür die erforderliche Ausbildung, Kenntnis und Erfahrung besitzen. Der Betreiber einer implantierenden Klinik hat sicherzustellen, dass nur Personen mit entsprechenden Voraussetzungen Cochlea Implantate anpassen.

Audiologische Fachkenntnis gefragt
Das mit der Durchführung der CI-Anpassung beauftragte Fachpersonal (CI-Audiologen) muss weitreichende Fachkenntnisse im Bereich der Audiologie nachweisen, sowie relevante Teilaspekte aus der HNO-Medizin, der Hörphysiologie, der Signalverarbeitung, der Psychoakustik und der audiologischen Rehabilitation kennen. Der CI-Audiologe ist unter der Verantwortung des behandelnden Arztes befähigt, sämtliche audiologischen Aufgaben im Rahmen der Versorgung mit auditorischen Neuroprothesen einschließlich der Veränderung und Festlegung der Parameter der elektrischen Stimulation zu übernehmen.

Verantwortlich für den Gesamtprozess der CI-Anpassung und Nachsorge ist die implantierende Klinik. Trainings- und Förderleistungen können zwar zu ausgewählten externen Partnern verlagert werden, aber die Verantwortung für Anpassung und Einstellung der Sprachprozessoren sowie der sicherheitstechnischen Kontrollen des CI-Systems verbleibt primär bei der implantierenden Klinik.

Schritte der Erstanpasssung
Die Erstanpassung bezeichnet die erste Aktivierungsperiode des Sprachprozessors, die auch in mehreren Sitzungen an unterschiedlichen Tagen stattfinden kann. In aller Regel sind hierzu 3-5 Termine in kurzen Abständen erforderlich.

Verschiedene audiologische Testverfahren kommen zum Einsatz. Besonders bei kleinen Kindern und unkooperativen Patienten werden objektive Verfahren wie die elektrisch evozierten Stapedius-Reflexe und elektrisch evozierte Potentiale des Hörnervs angewendet. In der Regel sollten bei der Erstanpassung die Messergebnisse der intraoperativen Funktionskontrolle vorliegen, um eine Abschätzung der erforderlichen Stimulationsströme vornehmen zu können.

Nach der technischen Vorbereitung des Sprachprozessors sowie einer technische Kontrolle des gesamten CI-Systems ist zunächst eine Auswahl der Kodierungsstrategie und gegebenenfalls der Stimulationsrate erforderlich.

Bei ausreichend kooperativen Patienten erfolgt die Sprachprozessoreinstellung interaktiv, wobei bei jeder Sitzung die Bestimmung der oberen Stimulationswerte (C/M –Werte) und meistens auch der unteren Stimulationsschwelle (T-Werte) erfolgt. Mit beginnender Hörerfahrung des Patienten wird auch ein Lautheitsabgleich (Balancing) zwischen einzelnen Elektroden durchgeführt.

Viele CI-Zentren setzen inzwischen das Verfahren der Lautheitsskalierung zur Bestimmung des Hörfelds ein, welches sich sehr zur Kontrolle der Lautheitsempfindung in verschiedenen Frequenzbereichen bewährt hat. Zur Ermittlung der versorgten Hörschwellen wird regelhaft ein Tonaudiogramm im Freifeld aufgezeichnet.

Da inzwischen viele CI-Träger bilateral versorgt werden oder am anderen Ohr noch ein Hörgerät nutzen können, sollte im Verlauf der Erstanpassung auch die Lateralisation bei binaural und bimodal versorgten CI-Trägern geprüft und die Einstellung entsprechend optimiert werden.

Im Rahmen der Erstanpassung muss auch eine individuelle Schulung in der Handhabung des Systems und des Zubehörs, inklusive der Fernbedienung erfolgen und die Erläuterung der  Sicherheits- und Warnhinweise vorgenommen werden.

Am Ende der Erstanpassung ist zur Dokumentation des initialen Erfolgs der Anpassung eine Sprachaudiometrie in Ruhe notwendig. Hierbei wird in der Regel der Freiburger Sprachverständlichkeitstest bei normalem Umgangssprachpegel (65 dB) eingesetzt.

Klare Rechtsvorschriften fehlen
Fehler und Versäumnisse bei CI-Anpassung und Nachsorge können weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen. Wird beispielsweise eine falsche Positionierung des Elektrodenträgers bei früh CI-versorgten Kleinkindern nicht erkannt, kann durch die fehlende Hörentwicklung des betroffenen Kindes ein schwerer Schaden im Hinblick auf die geistig-seelische Entwicklung entstehen. Eine zu starke Einstellung des Sendespulen-Magneten führt mitunter zu einer offenen Wunde über der Implantat-Sendespule, die sich im schlimmsten Fall entzünden kann und zum Verlust des Implantats führt. Eine fehlerhafte CI-Prozessor-Anpassung führt zu einer schlechten Hörleistung oder im Einzelfall zur unbeabsichtigten Reizung des Gesichtsnervs.

Die weitreichenden Konsequenzen einer mangelhaften CI-Anpassung und Nachsorge erfordern qualitätsgesicherte Prozesse. Da es bisher weder genaue Rechtsvorschriften für die Ausbildung der an der CI-Nachsorge beteiligten Personen, noch detaillierte Vorgaben für die personelle und technische Ausstattung der Nachsorgezentren gibt, werden Berichte über Komplikationen aufgrund unzureichender oder fehlender Nachsorge immer häufiger.

Dieser Missstand wurde inzwischen erkannt. Verschiedene Fachgesellschaften und Arbeitsgruppen arbeiten an Vorgaben sowohl zur Zertifizierung von spezialisierten Versorgungszentren als auch an Leitlinien zur fachlichen Qualifikation des audiologisch-technischen und therapeutischen Personals.  Verschiedene CI-Hersteller bieten Kurse zum qualitätsgesicherten Umgang mit den jeweiligen Medizinprodukten an.
Einstweilen: eine Checkliste

Bis zur Umsetzung der Initiativen zur Qualitätssicherung der CI-Anpassung und Nachsorge und der Zertifizierung entsprechender Einrichtungen wird aber noch einige Zeit ins Land gehen. Bis dahin liegt es an den betroffenen Patienten und der Selbsthilfe, die Qualität der Anpassung und Nachsorge in der behandelnden HNO-Klinik zu erfragen. Eine Checkliste zur Beurteilung des Zentrums sollte mindestens folgende Fragen enthalten:

•    In welchen Intervallen werden Nachsorgetermine angeboten?
•    Welche Qualifikation hat das audiologische Fachpersonal?
•    Welche Erfahrung besteht mit den verschiedenen Hörimplantaten?
•    Wo findet die Rehabilitation statt?
•    Welche Qualifikation hat das therapeutische Personal?
•    Besteht ein interdisziplinärer Austausch der HNO-Klinik mit der Rehabilitationseinrichtung?
•    Besteht in der HNO-Klinik ein Qualitätsmanagementsystem?

Wenn Zweifel an der Qualität von Anpassung und Nachsorge der befragten Einrichtung entstehen, ist die Einholung dieser Informationen an einer anderen Stelle empfehlenswert. Denn schließlich geht es um eine möglichst gute Betreuung zum Wohle einer hoffentlich lebenslangen Hörfunktion mit Cochlea-Implantat.

Prof. Dr.-Ing. Uwe Baumann
Universitätsklinikum Frankfurt, KHNO – Audiologische Akustik,
Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am Main


Vita:
Prof. Dr.-Ing. Uwe Baumann: Ausbildung als Elektroingenieur mit Fachrichtung Kybernetik an der Technischen Universität (TU) München, Medizintechnikstudium an der TU Kaiserslautern. Promotion als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU München. Audiologe an der HNO-Universitätsklinik Großhadern der Ludwig-Maximilians-Universität Seit 2006 W3-Universitäts-Professor für Audiologie mit Fachanerkennung Medizinische Physik (DGMP) an der Frankfurter Goethe-Universität. Leiter des Schwerpunkts Audiologische Akustik der HNO-Klinik am Universitätsklinikum Frankfurt.


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