5. März 2021
WHO World Report on Hearing: Weltweit leben 1,5 Milliarden Menschen mit Hörverlust
Nur jeder Dritte in Deutschland, der von einer deutlichen Hörminderung betroffen ist, unternimmt etwas dagegen, Fotos: BVHI
In Deutschland ist nach eigenen Aussagen jeder achte von einer Hörminderung betroffen. Regelmäßige Vorsorge und frühzeitige Versorgung von Hörminderungen helfen Lebensqualität zu bewahren und hohe Folgekosten zu vermeiden.
Weltweit leben 1,5 Milliarden Menschen mit einem gewissen Grad an Hörverlust. 430 Millionen davon benötigen Rehabilitationsleistungen. Und die Tendenz ist steigend: Bis 2050 werden es bereits voraussichtlich fast 2,5 Milliarden Menschen sein, von denen mindestens 700 Millionen eine Hörrehabilitation benötigen werden. Diese Zahlen gehen aus einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation WHO zum Thema Hören hervor.
Der WHO World Report on Hearing erfasst erstmals den aktuellen, globalen Status quo von Ohr- und Hörproblemen, der Ursachen von Hörverlust sowie kosteneffektiver klinischer und öffentlicher Gesundheitslösungen. Neben den aktuellen Herausforderungen beleuchtet der Bericht mögliche Lösungen und gibt Handlungsempfehlungen für die weitere Integration von Ohr- und Hörversorgung in die allgemeine Gesundheitsversorgung der WHO-Mitgliedstaaten.
Risiken für Hörverlust senken
Hörverlust kann genetische Ursachen haben. Komplikationen bei der Geburt, bestimmte Infektionskrankheiten, chronische Ohrinfektionen, Exposition gegenüber lauten Geräuschen, die Einnahme von ototoxischen Medikamenten und Alterung können ebenfalls zu Hörbeeinträchtigen führen.
Die WHO schätzt, dass 60 Prozent der Hörverluste bei Kindern auf vermeidbare Ursachen zurückzuführen sind, die durch Maßnahmen wie Impfungen, verbesserte Betreuung von Müttern und Neugeborenen sowie Screening und frühzeitige Behandlung von akuten Mittelohrentzündungen verhindert werden können. Bei Erwachsenen können Gesetze zur Lärmkontrolle und zum sicheren Hören sowie die Überwachung von Innenohr schädigenden Substanzen dazu beitragen, das Gehör zu erhalten und das Potenzial für Hörverluste zu verringern.
Forderung: Hörgesundheit für alle!
Unbehandelt stellt Hörverlust eine große Herausforderung für alle Altersgruppen dar und kann sich auf viele Aspekte des Lebens negativ auswirken: Kommunikation, Sprachentwicklung bei Kindern, Kognition, Bildung, Beschäftigung, psychische Gesundheit und zwischenmenschliche Beziehungen.
Bei denjenigen, die mit Hörverlust leben, kann eine rechtzeitige und angemessene Versorgung durch verfügbare und effektive Technologien und Interventionen sicherstellen, dass sie die Möglichkeit haben, ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Die überwiegende Mehrheit der Betroffenen lebt jedoch dem Bericht zufolge in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, in denen es häufig an Maßnahmen, personellen Ressourcen, Infrastruktur und Bewusstsein fehlt, um Hörverlust zu behandeln. Die WHO fordert die Regierungen dazu auf, eine personenzentrierte Ohr- und Hörversorgung in die nationalen Gesundheitspläne für eine allgemeine Gesundheitsversorgung zu integrieren.
Das Geld ist dabei gut investiert, denn die Maßnahmen kommen nicht nur dem Menschen mit Hörverlust zugute, sondern bringt auch der Gesellschaft finanzielle Vorteile. Denn unbehandelter Hörverlust kostet die Regierungen jährlich 980 Milliarden US-Dollar. Der World Report on Hearing der WHO bestätigt, dass „Hörsysteme wie Hörgeräte und Cochlea- Implantate effektive und kostengünstige Mittel für die Versorgung von Kindern und Erwachsenen gleichermaßen sind.“ Die WHO beziffert eine Rendite von fast 16 US-Dollar für jeden US-Dollar, der in die Ohr- und Hörversorgung investiert wird.
Regelmäßige Tests und frühe Versorgung
Zur Vermeidung von Folgeerkrankungen und -kosten aufgrund unversorgter Hörminderung sind regelmäßige Hörtests elementar. „Das von den Krankenkassen finanzierte Neugeborenen-Hörscreening ist ein wichtiger, früher Meilenstein. Die Hörvorsorge im Erwachsenenalter ist hingegen der Initiative jedes Einzelnen überlassen – entsprechend selten werden diese wahrgenommen“, sagt Dr. Stefan Zimmer, Vorstandsvorsitzender des BVHI.
Wie der Bundesverband der Hörsysteme-Industrie (BVHI) anlässlich der Veröffentlichung des WHO-Berichts mitteilte, leben in Deutschland rund 10 Millionen Menschen mit einer Schwerhörgkeit. Fast 6 Millionen sind signifikant beeinträchtig, aber nur ein Drittel tut etwas dagegen. „Um die Versorgungsquote insbesondere älterer Menschen zu erhöhen, sollten Hörtests spätestens ab dem 50. Lebensjahr in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden“, sagt Zimmer.
HNO-Ärzte unterstützen die Forderung und unterstreichen deren medizinische Notwendigkeit: „Altersbedingter Hörverlust beginnt schleichend und anfänglich unbemerkt. Durch Kompensationsmechanismen wird das richtige Hören regelrecht verlernt. Um den damit verbundenen Risiken entgegenzuwirken, ist ein Hörscreening ab dem 50. Lebensjahr als Früherkennungsuntersuchung medizinisch erforderlich“, sagt Priv.-Doz. Dr. med. habil. Jan Löhler, Direktor des Wissenschaftlichen Institutes für angewandte HNO-Heilkunde des Berufsverbandes der Hals-Nasen-Ohrenärzte e.V. (BVHNO).
Der BVHI, der mit der Weltgesundheitsorganisation im World Hearing Forum kooperiert und deren Kampagne zum Welttag des Hörens in den deutschsprachigen Ländern koordiniert, unterstützt ausdrücklich die globalen Ziele der WHO bis zum Jahr 2030:
- Steigerung von Neugeborenen-Hörscreenings um 20%
- Steigerung der Versorgungsquote von Erwachsenen mit Hörverlust um 20%
- Reduzierung der Prävalenz von chronischen Ohrenerkrankungen und unbehandeltem
- Hörverlust bei Kindern im Schulalter (5-9 Jahre) um 20 %
Der vollständige WHO-Bericht steht hier zum kostenfreien Download (auf Englisch) bereit.
Daten zur Hörgeräteversorgung in Deutschland:
- 12 Prozent der Bundesbürger (über 10 Millionen Menschen) halten ihre Hörfähigkeit für gemindert (Quelle: EuroTrak Germany, 2018)
- 37 Prozent von ihnen tragen Hörgeräte (Quelle: EuroTrak Germany, 2018)
- 39 Milliarden Euro betragen die jährlichen Kosten für unversorgte Hörminderungen in Deutschland (Quelle: Hearing Loss – Numbers and Costs, 2019)
- Eine Ausweitung der Hörgsystemeversorgung trägt dazu bei, diese Kosten sowie die Risiken von Folgeerkrankungen nachhaltig zu senken.
Quelle: WHO/BVHI
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