18. Juli 2024

Stellungnahme der Deutschen Cochlea Implantat Gesellschaft e. V. (DCIG) und des Cochlea Implantat Verband Nordrhein-Westfalen e. V. (CIV NRW) zur Cochlea-Implantat-Versorgung nach der zweiten Anhörung in der geplanten Krankenhausreform

Als Selbsthilfeverbände von Cochlea-Implantat(CI)-versorgten Menschen und ihren Angehörigen wissen wir, die DCIG und der CIV NRW, um die Bedeutung einer qualitativ hochwertigen Versorgung mit Cochlea-Implantaten. Maßnahmen wie die „CIVE“- Zertifizierung der Deutschen Gesellschaft für Hals-, Nasen-, Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie (DGHNO-KHC) und die S2k-Leitlinie Cochlea-Implantat-Versorgung unterstützen bei der Qualitätssicherung. Für hochgradig schwerhörige und ertaubte bzw. taube Menschen ist eine zeitnahe Versorgung von höchster Bedeutung. Viele haben bereits einen langen Leidensweg hinter sich, die Teilhabe am öffentlichen und privaten Leben fällt ihnen schwer. Durch die ständige Höranstrengung entstehen massive Folgeerkrankungen. Die Kosten für die Allgemeinheit sind wesentlich höher als eine Cochlea-Implantat-Versorgung, die es in der Regel ermöglicht, wieder am Leben teilzuhaben. Für Babys und Kleinkinder ist eine frühzeitige Versorgung für einen erfolgreichen Lautspracherwerb essenziell.

Mit großer Besorgnis haben wir daher zur Kenntnis genommen, dass im aktuellen Anhörungsverfahren der Kliniken die Bedenken und Einwürfe der Patientinnen und Patienten gemäß unserer Stellungnahme vom November 2023 nicht ernst genommen wurden. Nach aktuellem Stand würden vier Cochlea-Implantat-versorgende Kliniken wegfallen: Kliniken Köln – Krankenhaus Köln-Holweide, Rheinland Klinikum Lukaskrankenhaus Neuss, Stiftungsklinikum Proselis – Prosper-Hospital Recklinghausen und Johannes Wesling Klinikum Minden. Dies hätte enorme Auswirkungen auf die bereits implantierten Cochlea-Implantat-Träger, aber auch auf die zukünftigen. Daher fragen wir uns:

Was passiert mit den bereits implantierten CI-Trägerinnen und -Trägern der wegfallenden Kliniken?

Ohne CI-Operationen wird es an den vier Standorten keine Nachversorgung mehr geben. CI-Trägerinnen und -Träger benötigen eine lebenslange Nachsorge mit Überprüfung des Implantats und des Sprachprozessors, für die gemäß der S2k-Leitlinie die implantierende Klinik zuständig ist. Fallen die vier zur Disposition stehenden Kliniken weg, ist unklar, was mit den schätzungsweise 350 bis 400 Patientinnen und Patienten passiert. Umliegende Kliniken sind bereits mit der eigenen Patientenanzahl überlastet und können diese weiteren Patienten nicht nachversorgen. Auf ältere Patienten kämen zudem längere Wege, unbekanntes Personal und große unübersichtliche Kliniken zu.

Was passiert mit Kliniken, die nur aktive Mittelohr- und Knochenleitungs-implantate anbieten?

Die Leistungsgruppe 24.2 umfasst nicht nur Cochlea-Implantate, sondern sämtliche aktiven Mittelohr-Ohrimplantate und knochenverankerte Hörsysteme. Das bedeutet, dass die vorgegebenen Fallzahlen neben den Cochlea-Implantaten auch alle aktiven Ohrimplantate umfassen. Die aktiven Mittelohr-Ohrimplantate und knochenverankerte Hörsysteme bedürfen aber keiner vergleichbaren Nachsorge. Diese Patientinnen und Patienten müssen das Hören nicht wieder lernen und ihre Sprachprozesssoren können von Hörakustikern überprüft und eingestellt werden. Man kann sie also nicht mit den Cochlea-Implantaten vergleichen.

Dürfen die HNO-Kliniken ohne den Zuschlag der Leistungsgruppe 24.2 trotzdem aktive Mittelohr- und Knochenleitungsimplantate anbieten?

Warum wir den Erhalt aller CI-versorgenden Einrichtungen in Nordrhein- Westfalen fordern:

  • Bereits jetzt reichen die Versorgungskapazitäten im Bereich Cochlea- Implantation nicht aus.

In unserer vorherigen Stellungnahme und dem Antwortschreiben haben wir bereits darauf hingewiesen, dass es aus unserer Sicht wichtig ist, dass die CI-versorgenden Kliniken leitlinienkonform handeln. Wenn aber zu wenig Kliniken vorhanden sind, können sie dies nicht mehr leisten. Wir wissen von Patientinnen und Patienten, dass sie trotz Indikation gemäß S2k-Leitlinie nicht rechtzeitig implantiert werden, weil die Kliniken nicht genügend Kapazitäten für ihre Versorgung haben. Diese Patienten haben einen längeren Leidensdruck und ihnen wird die Chance auf eine adäquate Teilhabe am Leben in der Gesellschaft verwehrt.

  • Die CI-Versorgung ist ein lebenslanger Prozess, der insbesondere für ältere Patientinnen und Patienten wohnortnahe Systeme erfordert.

In der aktuellen Planung bleiben vor allem große Universitätskliniken erhalten. Viele potenzielle CI-Patientinnen und -Patienten sind älter und scheuen große Einrichtungen. Für sie sind wohnortnahe und überschaubare Systeme wichtig, die leicht erreichbar sind. Bei der Cochlea-Implantation geht es nicht nur um die Operation, sondern um das Gesamtpaket: Wir unterscheiden hier zwischen der Basistherapie mit der Erstanpassung und den ersten Einstellungen und der Folgetherapie mit Einstellungen und Hörtraining. Beides zusammen umfasst ca. 20 Termine in der Klinik innerhalb von ein bis zwei Jahren. Darauf folgt die lebenslange Nachsorge mit ein bis zwei Kontrollen und Anpassungen im Jahr. Die operierende Klinik ist lebenslang für ihre Patientinnen und Patienten zuständig. Fallen jetzt auf einmal vier Kliniken weg, dann ist die Nachsorge für die bereits implantierten Patientinnen und Patienten nicht gesichert.

  • Die vier gefährdeten Kliniken sind bereits zertifiziert oder auf dem Weg dahin.

Die zur Disposition stehenden Kliniken sind bereits zertifiziert (Köln – Holweide, Recklinghausen) oder auf dem Weg der Zertifizierung, planen ein CI- oder Hör-Zentrum und können die überfüllten Universitätskliniken entlasten. Ihre Fallzahlen beziehen sich auf den Entstehungszeitraum und liegen bereits jetzt zum Teil darüber.

Das Stiftungsklinikum Proselis – Prosper-Hospital Recklinghausen strebt ein großes Hörzentrum an, mit enger Kooperation mit der Musikschule, um CI-versorgten Kindern die Welt der Musik zu erschließen.

Die HNO-Abteilung im Johannes Wesling Klinikum Minden ist eine Dependance des Universitätsklinikums in Bochum. Finden keine CI-OPs mehr statt, wäre es die einzige Universitätsabteilung ohne Zusage zur Versorgung von CI-Patienten.

Unsere Besorgnis wird von dem Deutschen Schwerhörigenbund e. V. und dem Deutschen Hörverband e. V. geteilt, die unsere Positionen unterstützen. Wir bitten Sie sehr, die besonderen Interessen der Cochlea-Implantat-Patienten und -Patientinnen sowie Cochlea-Implantat-Kandidatinnen und -Kandidaten zu berücksichtigen und ihre Versorgung zu sichern.


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