29. November 2021

Mehr Barrierefreiheit, mehr Beteiligung: Die Vorhaben der Ampel-Koalition aus Sicht der DCIG

Ein Kommentar zum Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien von Annalea Schröder, politische Referentin der Deutschen Cochlea Implantat Gesellschaft.

Wie auch schon bei den Wahlprogrammen schauen wir uns an, was die Parteien zu den Bereichen Inklusion, Teilhabe und Barrierefreiheit vereinbart und sich vorgenommen haben. Zum Umfang: Zwei Seiten des 177 Seiten langen Dokuments befassen sich mit Inklusion und die dort beschriebenen Vorhaben klingen zunächst gar nicht so schlecht.

Erfreulicherweise wurde festgehalten, „dass Pressekonferenzen und öffentliche Veranstaltungen von Bundesministerien und nachgeordneten Behörden sowie Informationen zu Gesetzen und Verwaltungshandeln in Gebärdensprache übersetzt und untertitelt werden […]“ sollen (S. 78). Dies ist aus Sicht der DCIG sehr zu begrüßen. Es bleibt zu hoffen, dass die stärkere Sichtbarkeit von Kommunikationsunterstützungen dazu führt, dass diese auch in anderen Bereichen – beispielsweise bei Veranstaltungen – selbstverständlich werden und das Bewusstsein auch für Schriftdolmetschung/Untertitelung geschärft wird. Ein kleiner Wermutstropfen direkt an dieser Stelle: Die Pressekonferenz, zu der die Ampel-Parteien am vergangenen Mittwoch (24.11.) eingeladen haben, wurde zwar im Livestream der Parteien mit Gebärdensprachdolmetschung begleitet, jedoch nichtuntertitelt. Hier muss in Zukunft deutlich nachgebessert werden!

Im Bereich Arbeit wurde festgelegt, dass bei der Ausgleichsabgabe eine vierte Stufe eingeführt werden soll, für jene Unternehmen, die nicht eine einzige schwerbehinderte Person beschäftigen (S. 79). Diese hatten wir bereits in unseren Wahlprüfsteinen aufgegriffen und eine Verschärfung gefordert.

Abbau von Bürokratie und langen Verfahren ist in vielen Bereichen geplant, so auch für Verfahren beim Integrationsamt: Zur Beschleunigung dieser Verfahren beim Integrationsamt wurde festgelegt, dass vollständig übermittelte Anträge an das Integrationsamt nach sechs Wochen ohne Bescheid als genehmigt gelten („Genehmigungsfiktion“) (S. 79).

Eine interessante Notiz für alle mit einem Schwerbehindertenausweis: „Im Rahmen des regelmäßigen Umtauschs des klassischen Schwerbehindertenausweises wird dieser auf den digitalen Teilhabeausweis umgestellt“ (S. 79). Nähere Informationen gibt es hierzu noch nicht, somit bleiben hier noch einige Fragen zur konkreten Ausgestaltung und Umsetzung offen. Fraglich ist zudem, ob sich der Begriff „Teilhabeausweis“ durchsetzen wird.

Zur Umsetzung verschiedener Vorhaben im Bereich Barrierefreiheit und Inklusion planen die Ampel-Parteien ein Bundesprogramm „Barrierefreiheit“ einzusetzen sowie das Behindertengleichstellungsgesetz, das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zu überarbeiten. Zudem setzen die Parteien sich das Ziel, alle öffentlichen Gebäude „umfassend barrierefrei“ zu machen (S. 78).

Und last but not least planen die Parteien die Mittel des Partizipationsfonds – aus dem auch die DCIG derzeit Projektgelder erhält – zu erhöhen und zu verstetigen, um die politische Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu stärken. Außerdem sollen Menschen mit Behinderungen stärker an politischen Vorhaben auf Bundesebene beteiligt werden. 

Inwiefern die Vorhaben alle realistisch sind und umgesetzt werden, das werden die kommenden vier Jahre zeigen. Der Einstieg hört sich zumindest nicht schlecht an. Mit Spannung wird auch erwartet, ob der bisherige Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel, eine zweite Amtszeit antreten wird und welche Sprecher die Parteien jeweils für die Politik für Menschen mit Behinderung benennen werden. (as)


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