4. Oktober 2022
Wahlprüfstein 6: Mobiler Dienst in Schulen
Bei den überregional tätigen Mobilen Dienste "Hören" ist eine weitaus zu niedrige Planstellenzahl zu beklagen.
Es fehlen: vollständige Barrierefreiheit, bedarfsgerechte technische Ausstattungen,, Rechtsanspruch auf Dolmetscherdienste und individuelle Nachteilsausgleiche, verringerte Klassengrößen für hörgeschädigte Schüler*Innen. Gleiches gilt für Berufsschulen und in Hochschulen/ Universitäten, wenn sie inklusiv sein wollen. Hierauf besteht nach der UN-BRK ein Rechtsanspruch.
Sieht ihre Partei Möglichkeiten, die Inklusion und Barrierefreiheit im Bil- dungsbereich voranzubringen? Welche Maßnahmen sehen Sie am dringlichsten an?
Antworten der SPD: Wir stehen für eine Stärkung der inklusiven Beschulung und für gleiche Chancen für alle Schülerinnen und Schüler, unabhängig von ihren körperlichen Voraussetzungen, ihrem Wohnort oder dem Einkommen der Eltern. Wir setzen uns für eine gelebte Inklusion mit dem Ziel, mehr Teilhabe, mehr Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit an allen Schulformen in Niedersachsen zu erreichen, ein. Damit setzen wir auch die UN-Menschenrechtskonvention schrittweise um. Die Mobilen Dienste sind für das Gelingen der inklusiven Beschulung ein wesentliches Fundament und gewährleisten die Chancengleichheit für Schülerinnen und Schüler. Weil die Schule in der Zukunft nur eine immer besser funktiionierende inklusive Schule sein kann, müssen die Rahmenbedingungen für Inklusion in unseren Augen weiterhin stetig und nachhaltig verbessert werden. Das heißt, mehr sonderpädagogische Lehrkräfte, sozialpädagogische Fachkräfte und auf die Bedarfe der Kinder hin orientierte Fachkräfte müssen an die Schulen. Das wird auch zukünftig Zielsetzung unserer Schulpolitik sein.
Wir werden den schulischen Paradigmenwechsel zu gemeinsam verantworteter Förderung aller Kin- der durch die multiprofessionellen Teams weiter voranbringen. Diese Politik kommt dann auch nicht nur den Kindern und Jugendlichen mit Bedarf, sondern allen Kindern zugute. Denn wir sind überzeugt davon, dass ein jedes Kind davon profitiert, wenn es Zugang zu Fachpersonal aus unterschiedlichen Fachrichtungen hat. Für die Förderschwerpunkte Hören (und Sehen) muss auch weiterhin ganz spezifisch eine enge Zusammenarbeit mit den Landesbildungszentren erfolgen, die durch bedarfsspezifische Regelungen im Einvernehmen mit dem Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung konkretisiert werden müssen. Wir wollen die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen erreichen und uns generell auch für mehr barrierefreie Zugänge zur Bildung und für die Teilhabe aller Menschen an Bildung einsetzen.
Antwort der CDU: Ein barrierefreier Zugang zum Arbeitsplatz, zu öffentlichen Einrichtungen und auch zur eigenen privaten Wohnung sind für uns selbstverständlich und gehören bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung von Immobilien und sonstigen Einrichtungen unabdingbar dazu. Die inklusive Schule, wie sie derzeit existiert, muss verbessert werden. Wir begreifen alle Schulen in Niedersachsen, auch die Förderschulen, als inklusive Schulen. Nur durch individuelle Förderung mit erhöhtem Förderbedarf ist es möglich, den Schülerinnen und Schülern die bestmöglichen Perspektiven für ihre Zukunft zu ermöglichen. Deshalb werden wir alle Förderschulen erhalten und zu inklusiven Kompetenzzentren weiterentwickeln sowie die Förderschulen „Lernen“ und „Sprache“ weiterführen, sie als reguläre Schulfor- men mit Bestandsschutz im Niedersächsischen Schulgesetz absichern sowie Neugründungen zulassen. Flankierend dazu werden wir die Studienkapazitäten für Sonderpädagogik weiter ausbauen. Ebenso werden wir alle Schulformen gleichberechtigt und stärker mit Förderschullehrkräften und pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rahmen eines Ausbaus von multiprofessionellen Teams ausstatten, mit dem Ziel einer gelingenden, breiten inklusiven Schule und einer echten Wahlfreiheit für alle Eltern und Schülerinnen und Schüler.
Antwort BÜNDNIS 90/ GRÜNE: Die Umsetzung von Inklusion an Schulen ist eines unserer zentralen Themen. Schulen müssen heute mit vielfältigen Herausforderungen umgehen. Das kann nur an inklusiven Schulen gelingen, die nach neuen Wegen und Lösungen suchen, um Teilhabebarrieren gezielt abzubauen. Inklusive Schulen nehmen die Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes in den Blick und treten damit langfristig an die Stelle von Förderschulen. Wir wollen alle Schulen, die bereits inklusiv arbeiten, gezielt unterstützen. Dazu gehört vor allem die personelle, aber auch die Sachausstattung – ebenso wie klare rechtlichen Vorgaben, die ein gutes inklusives Arbeiten ermöglichen. Wir werden außerdem eine sonderpädagogische Grundausstattung an weiterführenden Schulen einführen. Sonderpädagog*innen sollen so zum festen Bestandteil an allen allgemeinbildenden Schulen werden. Auch andere Berufsgruppen wie Ergo- oder Logopäd*innen werden an den Schulen gebraucht. Deshalb wollen wir multiprofessionelle Teams an den Schulen fördern. Das entstehende Landeskompetenzzentrum Barrierefreiheit soll so ausgestattet sein, dass es auch Beratung zum barrierefreien Schulbau anbieten kann. Bei größeren Umbauten von Schulen wollen wir zudem eine barrierefreie Infrastruktur verbindlich vorschreiben.
Antwort Die Linke: DIE LINKE arbeitet dafür, dass endlich die UN-Behindertenrechtskommission auf allen Bildungsetappen umgesetzt wird. DIE LINKE will barrierefreie Schulen für alle Kinder schaffen, die sich nicht nur auf die baulichen Bedingungen konzentrieren. Sie müssen über adäquate Ausstattung und Qualifizierung bei Personal, Assistenzleistungen, Lehr- und Lernmitteln sowie sonstigen Hilfsmitteln für jedes Kind verfügen. Dafür ist es zuerst nötig, den generellen Investitionsstau in Schulen aufzulösen und dort zu investieren, um in einem weiteren Schritt zielgerichtet zu analysieren, welche Hürden an feh- lenden Investitionen lagen und welche Hürden strukturell sind und explizit behoben werden müssen.
Antwort FDP: Inklusion bedeutet für uns Freie Demokraten, dass jede Schülerin und jeder Schüler die Unterstützung erhält, die der einzelne junge Mensch für die individuellen Bildungschancen benötigt. Dafür wollen wir Gelingensbedingungen definieren, die für eine erfolgreiche individuelle Beschulung notwendig sind. Für uns spielt es keine Rolle, für welche Art der Beschulung sich Eltern entscheiden. Wir werden diese Angebote nicht gegeneinander ausspielen, sondern Eltern die Möglichkeit geben, sich nach fachlicher Beratung, für die beste Lernumgebung für ihr Kind entscheiden zu können. Dem insgesamt gestiegenen Bedarf an Sonderpädagogen werden wir Rechnung tragen und die Ausbildung auch in diesem Bereich auf den tatsächlichen Bedarf hin anpassen. Wir werden landesweite Qualitätsstandards für die Schulbegleitung etablieren.
Hintergrund und Position des DSB
Die überregional tätigen Mobilen Dienste „Hören“ sind sehr wesentlich für die Inklusion an Regelschulen; die jedoch noch immer unter sehr erschwerten Bedingungen tätig sind. Ein hauptsächliches Problem ist die weitaus zu niedrige Planstellenzahl. Eine weitere ungelöste Grundvoraussetzung für Inklusion an Regelschulen sind die bisher nicht umgesetzte vollständige Barrierefreiheit, die bedarfsgerechte technische Ausstattung, die Einbeziehung von Dolmetscherdiensten sowie der Rechtsanspruch auf individuelle Nachteilsausgleiche. Hierfür wird vom DSB Nds. die aktive Mitwirkung von Vertretern der Selbsthilfeverbände als zwingend erforderlich angesehen, um die lebenslangen Erfahrungen erwachsener Selbstbetroffener einzubeziehen.
Eine weitere Voraussetzung ist die erhebliche Verringerung der Klassengrößen für hörgeschädigte Schüler*Innen mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf. Die Zahl der Förderstunden muss stark aufgestockt werden, damit die betroffenen hörgeschädigten Schüler*Innen angemessen gefördert werden.
Es müssen noch etliche weitere Forderungen erfüllt werden, ehe von inklusiven Schulen gesprochen werden kann; die vorstehende Aufzählung ist keineswegs vollständig.
An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass sowohl in Berufsschulen als auch in Hoch- schulen/ Universitäten und ähnlichen Bildungseinrichtungen gleichartige Maßnahmen für hörgeschädigte Schüler*Innen und Student*Innen vorgesehen werden müssen, damit auch diese Bildungsbereiche als barrierefrei und inklusiv bezeichnet werden können. Hierauf besteht nach der UN-BRK ein Rechtsanspruch, der in Niedersachsen bisher nicht erfüllt wird.
Weitere Wahlprüfsteine
Neben Antworten der Parteien, sind dort Hinergründe und die Position des DSB Nds. aufgeführt.
- Übersetzungsfehler in der UN-Behindertenrechtskonvention
- Barrierefreie Wahlkämpfe
- Barrierefreie Arztpraxen, Pflegeeinrichtungen und ähnliches
- Ergänzung von Merkzeichen
- Ergänzung von Ausbildungsordnungen
- Mobiler Dienst in Schulen
- Aktionsplan der Landesregerung Niedersachsen zu Umsetzung der Behindertenrechtskonvention
- Situation von Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt.
- Zahlung von Hörgeschädigtengeld
- Niedersächsische Bauordnung
Autor der Prüfsteine ist der 1. Vorsitzende des DSB Nds., Rolf Erdmann.
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