4. Oktober 2022

Wahlprüfstein 8: Verbesserung der Sitatuion für Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt

Die Arbeitslosenquote bei Menschen mit Behinderungen ist etwa doppelt so hoch wie bei nicht behin- derten Menschen. Private Arbeitgeber unterschreiten die festgelegte Beschäftigungsquote erheblich und zahlen lieber die Ausgleichsabgabe für nicht besetzte Arbeitsplätze.

Hörgeschädigte Bewerber werden trotz gleichwertiger Qualifikation selten eingestellt, oft schlechter bezahlt und so benachteiligt. Inklusion am Arbeitsplatz ist noch in sehr weiter Ferne.

Hilfen wie das Persönlichen Budget und Arbeitsassistenz werden kaum genutzt. Gründe: Überforderung mit der komplizierten Beantragung, bürokratischen Ablehnungen, schwierige Widerspruchsverfahren. Die berufliche Teilhabe ist zwar gesetzlich verankert, aber noch längst nicht umgesetzt.

Welche Initiativen werden Sie ergreifen, um die Chancen von Menschen mit Behinderung und speziell mit Hörbehinderung zu verbessern? Gedenken Sie, in Nieder- sachsen Hilfen und Modellprojekte aufzulegen, um z.B. die Arbeitsassistenz für schwerhörige und ertaubte Menschen zu fördern?

Antwort der SPD: Die Verbesserung der Situation von Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt ist für uns eine wichtige Aufgabe, für die wir uns bereits in der Vergangenheit intensiv eingesetzt haben. Wie in der Erläuterung zur Fragestellung richtig beschrieben hat sich der inklusive Arbeitsmarkt aber aus vielerlei Gründen bisher nicht so entwickelt, wie wir alle uns das erhoffen. Auch angesichts des sich zuspitzenden Fachkräftemangels gehen wir davon aus, dass Arbeitgeber nicht länger auf das fachliche Knowhow von Hörgeschädigten verzichten können und sollten. Wir werden uns daher auch in Zukunft weiterhin auf Bundes- und auf Landesebene für Maßnahmen einsetzen, welche die Situation von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt verbessern.

Antwort der CDU: Die Integration von Menschen mit Beeinträchtigungen am gesellschaftlichen- sowie Arbeitsleben ist für uns besonders wichtig. Unser Ziel ist ein inklusiver erster Arbeitsmarkt. Aus diesem Grund werden wir die Teilhabe von Menschen mit verschiedensten Unterstützungsbedarfen am Arbeitsleben deutlich stärken und insbesondere gemeinsam mit dem Bund den Übergang in den regulären Arbeitsmarkt weiter verbessern. Dabei sind wir auf die Einschätzungen und die Unterstützung von kompetenten Partnern, wie dem Deutschen Schwerhörigenbund, angewiesen.

Antwort BÜNDNIS 90/ GRÜNE: Alle Menschen sollen Chancen und Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt bekommen. Wir streben einen inklusiven Arbeitsmarkt an, in dem Menschen mit und ohne Behinderung selbstverständlich gemeinsam arbeiten. Wir begrüßen, dass auch die Ampelkoalition im Bund daran arbeiten will, die Segregation auf dem Arbeitsmarkt zu verringern und hierfür ein großes Bündel an Maßnahmen plant. Aber auch das Land Niedersachsen kann einen Beitrag leisten. Die Landesbehörden müssen als Vorbild vorangehen und deutlich mehr Menschen mit anerkannter schwerer Behinderung beschäftigen. Zudem werden wir die Erfüllung der gesetzlichen Pflicht zur Beschäftigung Schwerbehinderter als Kriterium bei der Vergabe öffentlicher Aufträge stärker berücksichtigen. Wir setzen uns für eine Erhöhung der Ausgleichsabgabe ein. Gleichzeitig wollen wir die Hürden für Unternehmen senken, die Menschen mit Behinderung einstellen. Die Rahmenbedingungen für Inklusionsbetriebe, also Betriebe des allgemeinen Arbeitsmarktes, die zwischen 30 bis 50 Prozent Menschen mit Behinderungen beschäftigen, werden wir verbessern. Wir stärken Beratung und Förderung von Menschen mit Behinde- rung beim Berufseinstieg und treiben dazu auch die Evaluierung der Bedarfsermittlung der einzelnen Trägerorganisationen voran.

Antwort Die Linke: Für einen inklusiven Arbeitsmarkt braucht es viele Veränderungen. Wie wollen auf den Bund einwirken, dass beispielsweise die Ausgleichsabgabe erhöht wird und Regeln beseitigt werden, mit denen die Ausgleichsabgabe reduziert oder die Beschäftigungspflicht umgangen werden kann. In Niedersachsen werden wir dafür einstehen, dass Modellprojekte zur Inklusion nicht in dem Status verharren, sondern wirklich zur Erprobung genutzt werden und in die Regelversorgung übernommen werden, wenn sie sich als erfolgreich erweisen.

Antwort FDP: Menschen mit Behinderung sollen Wahlfreiheit über die individuelle Gestaltung des eigenen Lebens haben. Die Freien Demokraten treten für bessere Teilhabemöglichkeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt ein. Damit jeder selbst über seine Angebote bestimmen kann, wollen wir das persönliche Budget einfach und unbürokratisch nutzbar machen und die Beratung zur Nutzung ausbauen. Modellprojekte, die zusätzliche Verbesserungen schaffen, wollen wir positiv begleiten.


Hintergrund und Position des DSB

Nach wie vor sind die Chancen von Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt außerordentlich schwierig. Leider ist die Arbeitslosenquote bei Menschen mit Behinderungen dauerhaft etwa doppelt so hoch wie bei nicht behinderten Menschen. Ursächlich hierfür ist die Tatsache, dass private Arbeitgeber die in SGB IX festgelegte Beschäftigungsquote meist erheblich unterschreiten und statt dessen vorziehen, die Ausgleichsabgabe für nicht besetzte Arbeitsplätze zu zahlen. Auch öffentliche Arbeitgeber gehen hier immer nicht mit gutem Beispiel voran. 

Trotz sehr verbesserter Hörhilfen und Zusatztechnik stellt insbesondere eine Hörbehinderung noch immer eine nur schwer überwindbare Hürde dar. Auch werden hörgeschädigte Bewerber trotz gleichwertiger Qualifikation oft nicht eingestellt und auf diese Weise benachteiligt. Hieran haben weder das SGB IX noch die UN-BRK etwas geändert. Inklusion, Barrierefreiheit Teilhabe und Selbstbestimmung am Arbeitsplatz sind noch in sehr weiter Ferne. 

Bekanntlich werden gut gemeinte Hilfen wie das Persönlichen Budget oder die erforderliche Stellung von Arbeitsassistenz nur unzureichend genutzt. Ursächlich hierfür ist u.a. die Tatsache, dass die Menschen mit Behinderungen mit der komplizierten Beantragung derartiger Maßnahmen überfordert werden. Durch die zunächst erfolgenden bürokratischen Ablehnungen sind oft schwierige Widerspruchsverfahren zu erwarten. Folglich werden derartige Anträge gar nicht erst gestellt. 

Die meist rigide Genehmigungspraxis der Kostenträger erschwert es den Menschen mit Hörbehinderungen oft sehr, die im Beruf erforderlichen Kommunikationshilfen finanziert zu bekommen. Der Staat stellt hier zu wenig Hilfen zur Verfügung. Die berufliche Teilhabe ist zwar gesetzlich verankert, aber noch längst nicht umgesetzt. 

Weitere Wahlprüfsteine

Neben Antworten der Parteien, sind dort Hinergründe und die Position des DSB Nds. aufgeführt.

Autor der Prüfsteine ist der 1. Vorsitzende des DSB Nds., Rolf Erdmann.  


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