19. August 2024

Selbsthilfetage des DSB: Kommunikation im Wandel

Der Deutsche Schwerhörigenbund (DSB) veranstaltete Mitte August in Königswinter die Selbsthilfetage 2024. Das Thema lautete „Inklusion durch selbstbestimmtes Leben mit Kommunikation 4.0“. Alle Beteiligten waren sich einig: Die Digitalisierung bietet enorme Chancen, birgt aber auch Gefahren. 

Foto: Rinke

Gut besucht: die DSB-Selbsthilfetage in Königswinter (Foto: Rinke)

Was früher Aufwand bedeutete, war am Freitag, dem 15. August 2024, in Königswinter keine Besonderheit mehr. Dr. Martin Danner, Vorstand der BAG-Selbsthilfe, hielt den Impulsvortrag "Digitale Transformation und ihre Auswirkungen auf die strategische Ausrichtung von Verbänden" und war dem Publikum – thematisch passend – digital zugeschaltet. Schon während des Vortrags wurde klar: Ist die Technik zu kompliziert oder funktioniert sie nicht richtig, entstehen Barrieren. Wegen Tonproblemen startete Danners Vortrag mit leichter Verzögerung. 

Aufgabe der digitalen Transformation: Informationen übersichtlich aufbereiten 

Die Digitalisierung macht mehr Informationen verfügbar. Für die Beratungsarbeit der Selbsthilfe bedeutet das, Informationen zu sortieren und das beste Wissen zusammenzustellen, so Danner. Gleichzeitig hat die digitale Transformation auch Schattenseiten. "Sie trifft besonders Menschen mit Beeinträchtigung, weil digitale Barrieren die Teilhabe verhindern oder gar nicht erst entstehen lassen." Deshalb sei digitale Barrierefreiheit entscheidend für die Interessenvertretung der Verbände und die Beratungsarbeit. 

Digitalisierung im Gesundheitswesen 

Unabhängig von der Verbandsarbeit schreitet die Digitalisierung in anderen gesellschaftlichen Bereichen voran. Darauf muss sich die Selbsthilfe einstellen. Danner nannte die elektronische Patientenakte als Beispiel. Die aktuelle Fassung sei noch nicht ausgereift, aber ab 2025 werde sie allen Patienten zur Verfügung stehen und Therapien optimieren. "Es wird eine große Herausforderung für die Selbsthilfeverbände sein, die Mitglieder auch zu diesem Themenkreis zu informieren." Die Patientenakte sei nur ein Beispiel für die Digitalisierung von Verwaltungsaufgaben. 

Neue Möglichkeiten durch Digitalisierung

Digitalisierung bietet Chancen (Foto: Rinke)

Digitalisierung bietet Chancen (Foto: Rinke)

Die Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten, nicht nur bei der Nutzung von Informationen, sondern auch in der Art der Kommunikation. Menschen mit spezifischen Interessen können sich leichter vernetzen, digitale Konferenzen und Vorträge sind seit Corona alltäglich. Diese Änderungen beeinflussen die Verbandsarbeit. 

Inklusiva Call und DSB-App 

Weitere Fachvorträge beim Selbsthilfetag zeigten die Möglichkeiten auf. Mit einer App will der DSB die Mitglieder schneller und einfacher über Neuigkeiten informieren. Weitere Ziele sind, bekannter zu werden und neue Zielgruppen zu erreichen. Die App wird vom Paritätischen Gesamtverband entwickelt und bald für iPhones und Android-Smartphones verfügbar sein.

Anja Seitz stellt Inklusiva Call vor (Foto: Rinke)

Moderne Konferenzsysteme können automatische Untertitel generieren. Anja Seitz von der LAG Selbsthilfe Rheinland-Pfalz stellte "Inklusiva Call" vor, ein barrierefreies und datenschutzkonformes Konferenzsystem. Während der Corona-Pandemie wurde klar, dass es keine entsprechende Software gab. "Wir wollten ein System, das einen vertrauensvollen Umgang mit den Daten bietet." Gemeinsam mit Betroffenen wurden die Anforderungen ermittelt. So entstand eine Software, die datensparsam arbeitet und die Untertitel nicht von einem Online-Dienst erstellen lässt. Die Voreinstellungen für die Konferenzen sind barrierefrei und können auf dem eigenen Rechner gespeichert werden. 

Digital-Kompass 

Der Umgang mit den Systemen kann besonders ältere Menschen vor Probleme stellen. Hilfen und Beratung bietet das Projekt "Digital-Kompass" der Bagso Service Gesellschaft. Bagso steht für Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen. Manchmal sind es einfache Tipps, die Barrieren abbauen. So scheitert die Kommunikation in Videokonferenzen oft daran, dass nicht alle Teilnehmer die Untertitel auf Deutsch eingestellt haben, berichtete Dr. Barbara Keck von der Gesellschaft. Sie warb dafür, den Umgang mit neuen Technologien zu lernen, zum Beispiel auch von gleichaltrigen Senioren. 

Datensparsam leben 

Der Umgang mit den eigenen Daten war Thema eines Vortrags des Verbraucheranwalts Guido Steinke. Er betonte, dass Dienste im Internet nie kostenlos sind. Wenn Verbraucher kein Geld zahlen, dann mit ihren Daten und Informationen, so der Anwalt. Als Beispiel nannte er Spracherkennungen wie Alexa von Google oder Siri von Apple, die mit den Daten der Nutzer trainiert werden. 

Auch Hörgeräte nutzen künstliche Intelligenz, etwa für die Rauschunterdrückung. Diese wird ebenfalls mit Nutzerdaten trainiert. Darüber sollte sich der Benutzer klar werden und bewusste Entscheidungen treffen, so der Anwalt. 

DSB-Präsident Dr. Matthias Müller (Foto: Rinke)

DSB-Präsident Dr. Matthias Müller (Foto:Rinke)

Hörgeräte mit künstlicher Intelligenz

Mehrere Hersteller bauen bereits Hörgeräte mit künstlicher Intelligenz. Diese Geräte sind schneller als herkömmliche, bieten bessere Klangqualität und Orientierung im Raum. Außerdem unterdrücken sie Störgeräusche besser und verringern die Höranstrengung, berichtete der Ingenieur Horst Warncke vom Bundesverband der Hörgeräte-Industrie. Die gute Nachricht für Hörgeräteträger: Die Entwicklung schreitet rasend schnell voran. Heute ist Technik Standard, die 2016 in den besten Geräten verbaut wurde. 

Für die Zukunft sieht Warncke vor allem Fortschritte bei der Akku-Technologie. Schon jetzt wird daran geforscht, dass Akkus nicht nur länger halten, sondern auch anders aufgeladen werden können. Zukunftsmusik ist es, dass die Geräte über die Körperwärme Strom produzieren. Bald Standard wird dagegen die neue Bluetooth-Technologie Auracast für eine bessere Funkübertragung der Signale.

Markus Rinke


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