07.03.2016

5. DCIG- Fachtagung

"Das CI hat mein Leben zum Positiven verändert"


Insgesamt 88 Prozent der Teilnehmer der DCIG-Fachtagung am 5. und 6. März 2016 im Uniklinikum Frankfurt/Main stimmten in einer TED-Befragung dieser Aussage zu. Weitere zehn Prozent stimmten mit Einschränkung zu: Eine eindrucksvolle Bestätigung des Grußworts von Irene Bauerfeind-Roßmann aus dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, die das Cochlea Implantat "ein kleines technisches Wunderwerk" nannte und von einer beispiellosen "Erfolgsgeschichte" sprach.

Mehr als 200 Teilnehmer folgten zwei Tage lang dem dicht gedrängten, anspruchsvollen Tagungsprogramm. Im Mittelpunkt aller Vorträge und Diskussionen stand die Frage, wie die in Deutschland erreichte hohe Qualität der CI-Versorgung dauerhaft zu sichern ist - in Zeiten technischen Wandels und rapide wachsender Zahlen von CI-Patienten und CI-Anbietern. Mitveranstalter war der CI-Verband Hessen-Rhein-Main. Aber auch viele andere Regionalverbände der Deutschen Cochlea Implantat Gesellschaft e.V. waren mit Info-Tischen vertreten.

Immer wieder fragten die Moderatoren zwischendurch die Meinung der Zuhörer ab. Per Tastendruck auf kleinen TED-Geräten und Projektion der Ergebnisse auf die große Hörsaalleinwand war das Meinungsbild unmittelbar für Alle erkennbar. Manche Ergebnisse verblüfften.

So gaben immerhin 12 Prozent der anwesenden CI-Träger an, ihnen sei nach der Operation keine Reha angeboten worden. Gar 35 Prozent wurde in der Nachsorge keine Hörtherapie angeboten, jedem Zehnten das Zubehör nicht erklärt. Aber: 91 Prozent stimmten der Frage "voll zu", ob sie sich heute wieder implantieren lassen würden, weitere sechs Prozent stimmten zu. Einen besseren Beleg von Sinn, Zweck und Qualität der CI-Versorgung in Deutschland könne es kaum geben, fasste Tagungsleiter Roland Zeh am Sonntag zusammen.

Weitgehende Einigkeit bestand unter Referenten und im Publikum darüber, dass diese Qualität nur erhalten werden kann, wenn es künftig klare, allgemein bekannte und sanktionsbewehrte Qualitätsmaßstäbe gibt; für Operationen, aber insbesondere auch für die damit notwendig verbundene, individuelle Anpassung und Therapie. Timo Stöver, Chef der gastgebenden Frankfurter HNO-Uniklinik: "Es muss ein Maß geben, an dem sich ein mündiger Patient orientieren kann: werde ich richtig behandelt?"

Die mangelnde Rechtsverbindlichkeit der Leitlinie wurde immer wieder beklagt, auch von Patrick Schunda, der sich namens des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen äußerte - und ein klares Bekenntnis zur Notwendigkeit begleitender, interdisziplinärer Therapien ablegte: "Darüber kann man nicht diskutieren." Schunda verwies ebenso wie der Rechtsexperte Bernhard Kochs auf den verbrieften Anspruch hörgeschädigter Patienten, durch den gezielten und individuell angepassten Einsatz von Hörhilfen "Gesunden gleichgestellt" zu sein. Schunda nannte diesen Anspruch "weltweit einmalig".

Andere Referenten machten aber deutlich, dass dieser Anspruch leider nicht überall eingelöst werde. Die Leiterin des Berlin-Brandenburgischen CI-Centrums, Silvia Zichner, schilderte den Hang mancher Kassen, Billig-Anbietern auf den Leim zu gehen, und appellierte an die mündigen Patienten: "Machen Sie sich kundig und kämpfen Sie dagegen!"

Die TED-Befragung ergab übrigens, dass sehr viele CI-Träger die Leitlinie gar nicht kannten.

Gabriele Gromke, die Vizepräsidentin der Bundesinnung der Hörgeräte-Akustiker, warb eindringlich für die Einbeziehung besonders geschulter und engagierter Akustiker in die lebenslange CI-Nachsorge. Das Publikum sah das genau so. 56 Prozent der TED-Befragten sprachen sich dafür aus, Akustiker in die CI-Langzeit-Nachsorge einzubinden. Weitere 30 Prozent hielten das "im Einzelfall" für sinnvoll.

Übrigens sah jeder Zweite der Möglichkeit hoffnungsvoll entgegen, auf dem Weg über das Internet künftig die regelmäßige Anpassung des CI-Prozessors selbst vorzunehmen. Eine technische Möglichkeit, die schon heute gegeben wäre, wie die Vertreter der Herstellerfirmen kund taten. Thomas Köster (Cochlear) brachte es so auf den Punkt: "Technisch war gestern schon möglich, was wir morgen noch nicht anbieten werden." Von Med-el, Advanced Bionics und Oticon war Ähnliches zu hören.

Das kann eine frohe Botschaft für alle sein, die heute noch vor einer Implantation zurückschrecken, deren Leben sich aber durch ein CI ungeheuer verbessern könnte. Thomas Lenarz, Leiter des Deutschen Hörzentrums an der Medizinischen Hochschule Hannover, sprach von einer Million hörgeschädigter Menschen allein in Deutschland, für die ein CI infrage käme. Die aktuelle Zahl der CI-Träger bezifferte er auf cirka 50 000. Jedes Jahr kämen derzeit rund 4500 hinzu.

Fazit: Es gibt noch viel zu tun - für Viele. Und umso wichtiger wird die Rolle der Selbsthilfe, auch und gerade bei der Qualitätskontrolle.


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