17. Juni 2019

Auf zum Hör-Verbund!

Der Deutsche Schwerhörigenbund (DSB) und die Deutsche Cochlea Implantat Gesellschaft (DCIG) wollen fusionieren. Das bekräftigten die Präsidien beider Verbände bei einer gemeinsamen Sitzung am 11. Mai 2019 in Frankfurt/Main. Namensvorschläge sind willkommen.

„Das ist hier eine historische Sitzung“, konstatierte der langjährige Vorsitzende des DSB, Harald Seidler. Und sein Gegenüber bei der DCIG, Roland Zeh, stellte fest: „Das, was uns verbindet, ist viel mehr als das, was unterschiedlich ist.“ Dass beide Vereine zu einem Verband verschmelzen, sei „eigentlich logisch“, ja „langfristig unumgänglich“.

Seidler und Zeh haben beide bereits die Fusions-Absicht auf den Mitgliederversammlungen ihrer Verbände bekundet und dafür jeweils eine breite Zustimmung erhalten. Mit diesem Auftrag im Rücken suchten und fanden die beiden Präsidien, moderiert von Holger Borner (BAG Selbsthilfe), am 11. Mai den weiteren Weg hin zu einem Hör-Verbund. Ein möglicher Name könnte „Hör-Allianz“ sein. Weitere Vorschläge sind willkommen.

Bei einem Vorbereitungstreffen im März waren bereits die alternativen Pfade aufgezeigt worden, die das deutsche Recht für einen Zusammenschluss zweier Vereine vorgibt. Unter allen Möglichkeiten erscheint beiden Organisationen nunmehr der Weg einer „Verschmelzung durch Neugründung“ am sinnvollsten. Dabei blieben alle jetzt bestehenden Regionalverbände, Ortsvereine und Selbsthilfegruppen bestehen. Ob einzelne davon sich später mit einem regionalen Parallel-Verein zusammenschließen, bliebe so der Entscheidung vor Ort überlassen.

Die „gewachsenen Kulturen“ jeder Organisation müssten gewahrt werden, das war nicht nur Harald Seidler wichtig. Der DSB existiert bereits seit 1901, die DCIG erst, seitdem Cochlea Implantate in Deutschland zur Verfügung stehen: seit gut drei Jahrzehnten. Während im DSB überwiegend Hörgeräteträger organisiert sind, der Anteil von CI-Trägern jedoch wächst, stellen letztere in der Mitgliedschaft der DCIG die klare Mehrheit. Immer mehr Menschen tragen aber Hörgeräte und CI. Dadurch überlappen sich die Aufgabengebiete von DSB und DCIG zunehmend. Der DSB hat etwas mehr Mitglieder, die der DCIG sind im Schnitt jünger.

„Viele Hörgeschädigte sind wie ich Mitglied in beiden Verbänden“, unterstrich Roland Zeh einen offenkundigen Vorteil der Fusion: Menschen mit einer Doppelmitgliedschaft sparten dann Geld und Zeit.

Es geht aber bei der Fusion auch um Einflussnahme auf die Politik und die Präsenz des Themas Hörschädigung in Gremien der Gesundheitswirtschaft und der Behindertenverbände. DSB und DCIG wollen ihre jeweiligen Stärken und Erfahrungen in den neuen Verband einbringen, dadurch gegenseitig profitieren und nach außen hin mit einer Stimme sprechen. „Wir bündeln die Kräfte der lautsprachlich orientierten Hörgeschädigten“, brachte Matthias Müller vom DSB Sachsen das strategische Ziel der Fusion auf den Punkt.

Ohne Zusammenschluss bestehe die Gefahr, im Konzert der Interessenverbände unterzugehen, waren sich die Präsidien einig. Einig waren sie sich aber auch darin, das Projekt Fusion „sehr behutsam anzugehen“ (Matthias Müller). Auch die Interessen Mehrfachbehinderter müssten im neuen Verband gewahrt sein, betonte die DSB-Geschäftsführerin Renate Welter.
Arbeitsgruppen werden in den nächsten Monaten zunächst Mustersatzungen erstellen und die Projekt- und Finanzpläne der beiden Verbände abgleichen.

Eine entscheidende Hürde auf dem Weg zur Fusion bestehe in den unterschiedlichen Entscheidungsstrukturen der Verbände, betonte Roland Zeh. Während beim DSB das Delegiertenprinzip herrscht, haben in der DCIG-Generalversammlung alle Mitglieder Stimmrecht. Dafür müsse eine Lösung gefunden werden.

„Es ist wichtig, die Mitglieder mitzunehmen und den Fusionsprozess so transparent wie möglich zu gestalten“, mahnte auch Moderator Holger Borner. Das DCIG-Präsidium will das Projekt Fusion nun zunächst im Rahmen einer Zukunftswerkstatt mit den Regionalverbänden diskutieren. Und auch auf der DSB-Bundesversammlung im September wird der Hör-Verbund wohl ein beherrschendes Thema sein. (uk)


Gemeinsam stärker: die Präsidien von DSB und DCIG. Oben von rechts nach links: Andreas Kammerbauer, Matthias Müller, Roland Zeh, Moderator Holger Borner, Renate Welter, Harald Seidler, Barbara Gängler, Norbert Böttges, Uwe Knüpfer, Marisa Strobel (Redaktion Schnecke). Vorne vlnr: Sonja Ohligmacher, Oliver Hupka
Selfie: Oliver Hupka


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