2. Oktkober 2023

Musikfeeling auf Norderney

Am 2. September reisten 25 CI- und Hörgeräte-Träger auf die wunderschöne Nordseeinsel Norderney. Unter dem Motto „Mit Tönen und Klängen an Sand und Strand“ wollte sich die „All-Ager“-Gruppe eine Woche lang mit Bodypercussion, Trommeln und Singen beschäftigen. Teilnehmerin Patricia Lista berichtet.

Was auch immer ich mir vorgestellt hatte, es übertraf all meine Erwartungen. Deshalb möchte ich gleich an dieser Stelle der DCIG und den beiden Organisatorinnen Ulrike Berger, Geschäftsführerin der DCIG, und Andrea Muschalek vom BayCIV von ganzem Herzen danken. Das erste „All-Ager“-Treffen war in meinen Augen ein voller Erfolg.

Statt des für die Nordsee typischen wechselhaften Wetters hatten wir durchweg strahlendes Wetter. Jeden Morgen um 7 Uhr, wenn wir mit Andrea am Strand Yoga machten, schob sich die rote Sonne langsam über die Dünen und wärmte mit ihren ersten Strahlen unsere entspannten Gesichter. Und jeden Abend, wenn wir am Strand spazieren gingen oder bei Wein im noch warmen Sand saßen, sahen wir eine unverschämt rote Sonne spektakulär im Meer versinken. Was zwischen Sonnenauf- und -untergang passierte, das erzähle ich euch jetzt.

Der Körper als Instrument

Um die Insel näher kennenzulernen, schickten Ulrike und Andrea uns am ersten Tag auf eine ausgedehnte „Schneckenjagd“, die mit Sing- und Tanzeinlagen gespickt war. Schon am Abend lernten wir dann Heike Arndt aus St. Augustin kennen, die uns in den folgenden zwei Tagen die Welt der Rhythmen näherbrachte. Zunächst brauchten wir dafür nur unseren Körper – Bodypercussion. Man patscht auf die Beine oder die Brust, klatscht in die Hände, stampft mit den Füßen oder schnippt mit den Fingern, wahlweise begleitet von Vokalisationen wie ga-ga-tin-ga-ga-ton. Auf diese Weise kann man spannende Rhythmen und Klangfolgen erzeugen. Das Fingerschnippen ließen wir weg, weil unsere CI- und Hörgeräte-Ohren dies nicht gut hören konnten. Motorik, Koordination, Rhythmusgefühl und Wahrnehmung waren hier gefragt. Wenn ein Klang dann wie ein Lauffeuer von einem zur anderen durch den Kreis lief oder wir gemeinsam, nur mit unserem Körper, einen vibrierenden Rhythmus kreierten, war das eine witzige, aber auch erhebende Erfahrung.

Der nächste Schritt auf unserem Weg zu Percussionisten war der Einsatz von Boomwhackers. Boomwhackers sind bunte Plastikröhren, die aufgrund ihrer Länge unterschiedliche Tonhöhen besitzen. Man schlägt sie auf die Hand oder auf einen anderen Körperteil und erzeugt damit einen hohlen, etwas hallenden Ton. Heike teilte uns in verschiedene Gruppen mit Tönen, die miteinander harmonieren, auf und gab jeder Gruppe einen anderen Rhythmus. Das Ergebnis: ein mitreißendes rhythmisches Klangkonzert. Da die Röhren leicht zu transportieren sind, konnten wir sie an verschiedenen Orten spielen und mit dem Schatten ziehen.

Rhythmuskonzert

Nun waren wir bestens vorbereitet für die große Percussionsrunde. 25 Leute mit 25 Trommeln, Rasseln, Schellen und anderen Rhythmusinstrumenten und fünf verschiedenen Rhythmen – es war eine große Herausforderung und anfangs flogen wir des Öfteren aus der Kurve. Aber zu unserer eigenen Überraschung hat es schließlich funktioniert. Wir konnten die Rhythmen wahrnehmen, wir konnten sie halten und – das Wichtigste – wir konnten unser Konzert genießen. Immer wieder tauschten wir die Instrumente, probierten aus, hörten und fühlten uns in alles hinein. Unsere Lehrerin Heike wurde nicht müde, uns zu loben und zu versichern, dass wir unsere Sache wirklich gut machen würden.

Nach zwei Tagen im Zeichen von Rhythmus und Klang hatten wir uns ein Päuschen verdient. Fahrradfahren, Leuchtturmbesichtigung, Eiskaffeetrinken, ein kühles Bad, ein Besuch in der Stadt – wir wussten uns an unserem freien Tag gut zu beschäftigen. Eine Wattwanderung gab einigen von uns Einblicke in das faszinierende, aber leider auch durch den Klimawandel gefährdete Leben im Watt.

Schon am Abend ging es weiter mit Barbara Roberts, genannt Babsi, professionelle Sängerin mit eigener Band aus der Nähe von München und nun für zwei Tage unsere Lehrerin in Sachen Stimme und Singen. Hörgeschädigte und Singen – viele von euch können sicherlich bestätigen, dass dies irgendwie eine belastete Liaison ist. Zu Unrecht oder zu Recht? Wir wollten es wissen und waren sehr gespannt.

Blubbern für die Stimme

Babsi machte uns zunächst mit der Stimmpflege vertraut. Da wir mit dem gesamten Körper singen, ist auch der gesamte Körper für die Stimmpflege und die Entfaltung der Stimme wichtig. Gute Ernährung ohne Alkohol und Rauchen, genug Flüssigkeit, Entspannung, aufrechte Haltung, genug Schlaf – dies sind nur einige Faktoren, die die Stimme beeinflussen. Zur unmittelbaren Pflege der Stimmbänder dienen das Summen, das Lippenflattern oder das Blubbern in Wasser mit einem dicken Strohhalm, der sogenannte Blubberschlauch. Besonders wirksam werden diese Techniken, wenn wir sie zusammen mit unserem ureigenen Ton anwenden, was wir mit großem Spaß gleich umsetzten.

Anspruchsvoller wurde es für uns beim gemeinsamen Singen von Liedern. Babsi hatte uns ein wunderbares Liederbuch mit 72 bekannten Songs zusammengestellt. Begleitet von ihr und ihrer Gitarre sangen wir uns in den nächsten Tagen durch dieses Liederbuch hindurch: von „Griechischer Wein“ über „Capri-Fischer“ bis zu „Oh, When The Saints“, von „Mackie Messer“ über „I Am Sailing“ bis zu „La Cucaracha“ – eine herrliche Mischung.

Selbstbewusster singen

Das Singen im Chor ist allerdings für hörgeschädigte Menschen oft eine Herausforderung. Im lauten Umgebungsgeräusch können wir uns selbst nicht mehr so gut hören, und damit ist es schwieriger, den Ton zu treffen und zu halten. Gleichzeitig müssen wir auf Melodie, Rhythmus und Text achten. Zudem hat es ein bisschen gedauert, bis jeder seine Technik so justiert hatte, dass er oder sie sowohl Babsis Anleitungen und ihre Gitarre als auch den Gesang der anderen gut wahrnehmen konnte. Da kamen anschließend die einfachen indianischen und afrikanischen Nachsinglieder gerade richtig. Mit eingängigen Melodien und Rhythmen und sich wiederholenden Textpassagen waren sie für uns echte Ohrwürmer.

Mein persönliches Fazit zum Thema Hörgeschädigte und Singen: Im geschützten Rahmen einer Gruppe von Gleichbetroffenen lässt es sich wunderbar experimentieren, um so wieder mehr Selbstbewusstsein beim Singen zu entwickeln.

Wenn am Nachmittag der letzte Ton, der letzte Trommelschlag verklungen waren, hörten wir den Strand und das kühle Wasser rufen. Im Abendrot sangen und tanzten wir „Wishi Ta Tuja“ und „Baba La Gumbala“, und wenn wir nicht am nächsten Tag schweren Herzens nach Haus gefahren wären, so tanzten und sängen wir noch heute.

Text: Patricia Lista


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