23. März 2023

„Nichts über uns ohne uns“

Partizipation ist mehr als Teilhabe.  Doch was bedeutet sie genau? Annäherung an einen facettenreichen Begriff.

Der Begriff „Partizipation“ kommt aus dem Lateinischen (lat.) und wurde einst aus zwei Wortteilen zusammengefügt: „pars“ (lat.) gleichbedeutend mit „1. Teil eines Ganzen und 2. Anteil“, und „capere“ „1. ergreifen, nehmen; 2. zu erreichen suchen und 3. übernehmen, antreten“. Kombiniert man diese Wortelemente, ergibt sich eine tiefere Sinndeutung des Wortes Partizipation. Es meint zum Beispiel, einen Teil eines Ganzen zu übernehmen, anzutreten oder An-Teil zu ergreifen, zu nehmen. Geht man gedanklich einen Schritt weiter, so nimmt man als Einzelner an der Gesamtheit der Gesellschaft teil, wird an-teilig und somit zum (gleichberechtigten) Teil des Ganzen. 

Partizipation in der UN-Behindertenrechtskonvention 

Am 26. März 2009 trat in Deutschland die von den Vereinten Nationen bereits im Jahr 2006 verabschiedete Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in Kraft. Deutschland erklärt damit unter anderem die Partizipation behinderter – für uns im Speziellen: hörbehinderter – Menschen am gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Leben zu Grundfreiheiten. In der deutschen Fassung wurde der ursprüngliche englische Ausdruck „participation“ – das Pendant zu „Partizipation“ – mit „Teilhabe“ übersetzt. Dieser Begriff spiegelt allerdings nicht die Grundintention der UN-Konvention wider. Partizipation meint mehr als nur Teilhabe. Partizipation bedeutet, behinderte Menschen in Entscheidungsprozesse einzubeziehen, ihnen die Möglichkeit der aktiven Einflussnahme, der aktiven Mit-Gestaltung an Vorhaben zu geben. Das setzt Selbstbestimmung voraus. Nur wer weiß, was er benötigt, der weiß, was verbessert werden kann. Somit bedingen sich „Partizipation“ als Mitbestimmung und „Selbstbestimmung“ wechselseitig. Das eine schließt das andere mit ein: „Während Mitbestimmung immer Entscheidungen an einem gemeinschaftlichen Zusammenhang meint, bedeutet Selbstbestimmung die Möglichkeit, selbst über Fragen des eigenen Lebens zu entscheiden. Selbstbestimmung ist eine zentrale Bedingung für Partizipation.“ (Wörterbuch der Fachstelle Ergänzende unabhängige Fachberatung).

Partizipation im Alltag

Was bedeutet das ganz konkret? Ein Beispiel: Ein Architekturbüro entwirft ein neues behindertengerechtes Gebäude. Wenn an der Planung und Ausführung kein Mensch mit Behinderung beteiligt ist, kann dabei eher zufällig ein behindertengerechtes Gebäude entstehen. Das ist aber nicht der Regelfall. Warum bindet man nicht von Anfang an Menschen mit Behinderung in die Planung ein, damit sie das Baukonzept aktiv mitgestalten? Nur so entsteht ein wirklich behindertengerechtes Gebäude, das ganz und gar auf die Bedürfnisse Behinderter zugeschnitten ist. Auch das bedeutet in letzter Konsequenz Partizipation. 

Dieses Beispiel lässt sich auf viele Bereiche unseres gesellschaftlichen Lebens übertragen: von der aktiven Mitgestaltung der politischen Entscheidungsfindung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, über das Bildungs- und Schulwesen bis hin zur Gestaltung der Wirtschaft im Großen wie im Kleinen am Arbeitsplatz vor Ort. 

Politische Teilhabe und Willensbildung
Anerkennung unserer Forderungen auf Augenhöhe und aktive Mitgestaltung
Rechte einfordern
Technische Unterstützung
Identität als Betroffene
Zentrale Rolle Selbstbetroffener
Intensive Kontakte
Probleme ernst nehmen
Austausch über aktuelle Themen
Transparenz
Interessenvertretung
Offenheit auf beiden Seiten
Nichts über uns ohne uns 

Peter Weckert Peter Weckert,
Mitglied BayCIV e.V. und Berater EUTB Bayerischer Cochlea-Implantat-Verband - Stadt München

Partizipation ist Teil des Schwerpunktthemas in der Schnecke 119.


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