29. Oktober 2018
Selbsthilfe: „Du bist nicht allein!“
Kompetent beraten: Was bedeutet das in der Selbsthilfe? Mit dieser Frage starteten Ende Oktober mehr als 60 Teilnehmer in das SHG-Leiter-Seminar der DCIG.
„Ein Berater muss empathisch sein!“
Die Möglichkeiten, sich heute zu informieren, sind in Zeiten des Internets immens. Warum also nehmen sich CI-Träger die Zeit, anderen Hörgeschädigten mit Rat und Tat zur Seite zu stehen? „Ich möchte, dass es andere leichter haben als ich“, sagt ein junger Teilnehmer. Und ein anderer bekräftigt: „Ohne die Unterstützung der Selbsthilfegruppe (SHG) hätte ich noch viel länger nach einer Lösung gesucht.“ Dass man mit schon kleinen Hilfestellungen bereits große Hilfe leisten kann, auch das ist eine Motivation für die Selbsthilfe-Aktiven, die sich zu einem Austausch im hessischen Rodgau bei Frankfurt getroffen haben.
Unter Moderation von DCIG-Geschäftsführerin Barbara Gängler und Coach Viola Dingler erarbeiteten die mehr als 50 Teilnehmer Merksätze für konkrete Beratungssituationen*. Auch über die „Dos and Dont's“ in solchen Gesprächen tauschten sie sich aus. Dabei machte Beratungsexpertin Kathy Küchenmeister von der Universität Dresden in ihrem Vortrag deutlich, welche Faktoren bei einer Beratung besonders entscheidend sind: Während die Beratungsmethode einer Untersuchung zufolge nur geringen Einfluss auf die Wirkung habe, sei vor allem die Beratungsbeziehung von Bedeutung. „Ein Berater muss empathisch sein“, sagte Küchenmeister. „Die Informationen müssen beim Ratsuchenden auch emotional ankommen.“
Offen mit Grenzen umgehen
Wenn der Berater also als echt und unverfälscht wahrgenommen wird, und zwar vor allem auch in seiner Körpersprache, dann ist der Grundstein für eine gute Beratungssituation gelegt. Dazu gehört auch, deutlich zu machen, wo eigene Grenzen liegen. „Man kann nicht alles lösen“, betonte Küchenmeister, und man müsse auch nicht alles wissen. „Offen mit den Grenzen des Wissens umzugehen, auch das schafft Vertrauen“, sagte die Wissenschaftlerin.
Auch der Rahmen muss stimmen: „Beratung braucht Zeit für Reflexion“, erklärte Küchenmeister. Nicht zuletzt sei auch Selbstreflexion wichtig, die man auch mit dem Ratsuchenden gemeinsam vornehmen könne. Hat sich der Ratsuchende verstanden gefühlt? Wurde auf seine Probleme und seine Situation eingegangen?
„Wir fangen das auf, was Audiologen und Ärzte allein schon aus Zeitgründen nicht können“, betonte eine SHG-Leiterin aus Hessen. Dazu gehört auch, wie beim Sammeln der „Dos and Dont's“ deutlich wurde, der Umgang mit Ängsten von Hörgeschädigten. Deutlich zu machen: „Du bist nicht allein“, sei eine große Hilfe. So gilt es Menschen, die Angst vor der CI-Operation haben, darin zu bestärken, in der Klinik nachzufragen, bis sie auch wirklich alles verstanden haben. Bleiben Zweifel bestehen, sollte niemand das Einholen einer zweiten Meinung scheuen, auch darin kann die Selbsthilfe Ratsuchende bestärken.
Keine unrealistischen Hoffnungen schüren!
Wichtig ist den Selbsthilfe-Aktiven in ihrer Arbeit, keine unrealistischen Hoffnungen zu schüren. Ein Merkspruch, den die Teilnehmer dazu formulierten: „Eine CI-Versorgung ist eine lebenslange Beziehung mit täglich neuen Erfahrungen, für die ich aber auch ständig etwas tun muss, damit das eine Erfolgsgeschichte wird.“
Viel Geduld in den Gesprächen zu haben und immer auch im Hinterkopf zu behalten, dass jeder anders ist, auch darauf wiesen die Teilnehmer hin. Am Ende des SHG-Leiter-Seminars fühlten sich viele in ihrer Arbeit bestärkt, individuell vorzugehen und jeden dort abzuholen, wo er gerade steht.
„Ihr seid meine soziale Tankstelle“
„Ich sehe mich darin bestätigt, dass es sich lohnt, solche Veranstaltungen zu besuchen, um sich auszutauschen und eine gemeinsame Ebene zu schaffen“, lobte ein Teilnehmer. Und ein anderer ergänzte: „Ihr seid meine soziale Tankstelle. Ich gehe vollgetankt nach Hause!“. „Tauscht euch aus und nutzt die Kontakte, die ihr hier gemacht habt!“ appellierte auch Coach Viola Dingler. „Das ist eine Ressource, die ihr einsetzen könnt.“
Klar ist, dieser Workshop war nur der Auftakt: „Das hier ist eine Grundlage, und wie ich finde, eine sehr gute!“, betonte Barbara Gängler zum Abschied. Weitere themenspezifische Workshops sollen folgen. Und auch die Ergebnisse des Wochenendes will die DCIG in einem Leitfaden für SHG-Leiter zusammenfassen.
Text und Fotos: Marisa Strobel
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