23. Dezember 2021

Niederfeld-MRT: Renaissance einer ungefährlichen MRT-Option für CI-Patienten

Kernspintomographische Untersuchungen nehmen einen immer größeren Bereich in der Medizin ein. In vielen Fällen lassen sich durch diese ungefährliche Untersuchungstechnik unnötige Operationen vermeiden.

Die Computertomographie sieht für den medizinischen Laien zwar ähnlich aus, reicht bei der Darstellung von Weichteilen aber nicht an die Kernspintomographie heran. Kernpintomographie arbeitet anstelle von Röntgenstrahlen mit starken Magnetfeldern – und es ist ein allgemein bekanntes Problem von CI-Patienten, dass sie von Kernspintomographie-Untersuchungen oft ausgeschlossen werden. Nicht ganz zu Unrecht: Schließlich haben fast alle CI-Patienten einen Magneten implantiert – und auf diesen Magneten wirken in einem Kernspintomographiegerät starke Kräfte.  Wenn überhaupt eine MRT-Untersuchung erlaubt wird, dann schreiben die Hersteller vor, dass der Implantatbereich mit einer harten Unterlage straff verbunden werden muss – um zu verhindern, dass der Kernspintomograph den Implantatmagneten aus seiner Verankerung zieht oder sogar das Implantat zerstört. Leider werden „Magnetdislokationen“ durch Kernspintomographien trotz dieser Maßnahmen nicht selten beobachtet.

Für CI-Patienten, die in den letzten Jahren implantiert wurden, gilt das in vielen Fällen nicht: Die Hersteller Med-el, Cochlear und Advanced Bionics haben spezielle Magnete entwickelt, die sich wie eine Kompassnadel ausrichten können, wenn ein Magnetfeld anliegt. Auf diese wirkt im MRT-Gerät keine magnetische Kraft. Oticon setzt auf eine starre Verschraubung von Magnet und Implantat, so dass MRT bis 1,5 T zulässig ist.

Das Problem wäre viel kleiner, wenn man Kernspintomographiegeräte verwenden würde, die mit geringeren Magnetfeldstärken arbeiten würde als die heute gängigen Geräte: Niederfeld-MRT nennt man diese Geräte: MRT-Geräte mit Feldstärken um 0,5 T (Tesla; SI-Einheit für die Magnetfeldstärke) und darunter werden so bezeichnet – im Gegensatz zu den heute üblichen Hochfeld-MRTs mit Feldstärken von 1,5 und 3 T.

Warum benutzt man dann eigentlich diese großen Feldstärken und nicht die „ungefährlicheren“ geringen?

Die Erzeugung von MRT-Signalen ist ein recht komplizierter Prozess. Grob gesagt besteht in einem Gewebe, genauer: In den Wassermolekülen des Gewebes ein minimales magnetisches Moment, der sogenannte Spin. Dieser ist ungerichtet: Das eine Wassermolekül hat den Spin in die eine, das andere in die andere Richtung. Insgesamt heben sich die Spins auf, ein Magnetismus ist nicht messbar.

Dies lässt sich aber künstlich ändern durch Anlegen eines äußeren Magnetfeldes. Ein solches Magnetfeld richtet die Spins in eine Richtung aus, so dass ein Magnetismus messbar – und für die Bilderzeugung nutzbar ist. Dieser ist immer noch minimal – aber umso stärker, je stärker dieses äußere Magnetfeld ist.

Diese physikalische Tatsache ist der Grund, weshalb in der Vergangenheit immer stärkere MRTs gebaut wurden – mit ungeheuer starken Magnetfeldern von 1,5 oder 3 Tesla, teilweise noch darüber. Die früheren Detektionstechniken und Bildverarbeitungstechniken erzeugten bei geringeren Feldstärken keine Bildqualität, die den diagnostischen Anforderungen genügte. Deshalb wurden die schwachen Feldstärken verlassen, 1,5 T ist heute der allgemeine Standard.

Die Voraussetzungen haben sich aber geändert. Heutige Detektoren und Bildverarbeitungen liefern auch mit kleineren Feldstärken sehr gute MRT-Bilder. Deshalb erlebt man derzeit eine Renaissance dieser Technik. Speziell die US-amerikanischen Radiologenverbände nehmen derzeit eine Neubewertung der Niederfeld-MRT vor. Siemens stellte unlängst eine Neuentwicklung eines Niederfeld-MRTs vor (Magnetom FreeMax 0.55T).   

Es gibt handfeste Gründe, weshalb man sich auf die Niederfeld-MRT zurückbesinnt: Die großen Feldstärken heutiger MRT-Geräte lassen sich nur durch supraleitende Elektromagnete herstellen. Ein solches MRT-Gerät hat jährliche Stromkosten in der Größenordnung von 100.000 Euro. Die Betriebskosten sind also ein gewichtiges Argument.

Der zweite Grund ist die Tatsache, dass metallische Implantate zunehmen – und geringere Feldstärken – ganz allgemein gesprochen – weniger Ärger machen bei derartigen Implantaten. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Artefakterzeugung (Bildverfälschung ist hier gemeint) als auch bezüglich der Implantatsicherheit (Anziehung und Verschiebung/Zerstörung der Implantate, Erzeugung unerwünschter Ströme oder Erwärmungen im Implantat).

Für Cochlea-Implant-Patienten ist vor allem der Punkt „Magnetische Anziehung“ bedeutsam: Die Magnetkraft eines 1,5 T-MRTs kann mit einer Kraft von mehreren Kilogramm am implantierten Magneten ziehen. Diese Kraft steigt nicht linear, sondern mit dem Quadrat der MRT-Magnetkraft. Nimmt man an, dass ein 1,5 T-MRT-Gerät mit 4,5 kg (45 N) an einem gegebenen CI-Magneten zieht, dann wäre diese Kraft bei einem 0,5 T-MRT-Gerät lediglich 500 Gramm (5 N). Bei 0,2 T (wird heute nicht mehr hergestellt) hatte zum Beispiel die Firma Cochlear in der Vergangenheit keinerlei Fixationsverbände vorgeschrieben. Die Kraft hier wäre in unserem Beispiel 80 g (0,8 N).

Wir haben an einem Niederfeld-MRT (Siemens Magnetom C! Vertikales Feld, 0.35T) Kopf-MRT-Aufnahmen gemacht mit zwei bilateral implantierten CI-Patienten (jeweils Nucleus Freedom). Und zwar interessierten dabei zwei Aspekte:

  • Spürt der Patient in diesem Niederfeld eine Zugkraft auf seine Implantate (jeweils vorschriftsgemäße Wickelfixierung gemäß Vorgaben der Firma Cochlear)
  • Ist die Bildqualität der Kopf-Aufnahmen verwertbar?

Erwartungsgemäß spürte keiner der Patienten eine Zugwirkung auf seine Implantate.

Die Bildqualität der Kopfaufnahmen war nur im Frontobasisbereich (etwa ab Hirnanhangdrüse stirnwärts) sowie im Balken/Hirnstammbereich verwertbar – und dies auch nur dann, wenn ein nicht-magnethaltiges Fixationsset benutzt wurde.

Benutzt man das magnethaltige Fixationskit der Firma Cochlear, dann waren die Kopfbilder und teilweise auch die Halswirbelsäulenbilder unbrauchbar. Lediglich bei Verwendung nichtmagnetischer/nichtmetallischer Fixationshilfen (Holzklötze in unserem Fall) war die Bildqualität der Kopfaufnahmen wie beschrieben.

Niederfeld-MRTs scheinen also für alle MRT-Untersuchungen ab Halswirbelsäule abwärts für CI-Patienten eine ungefährliche und empfehlenswerte Alternative zu sein.

Bei Kopf-MRTs scheint die Bildqualität genauso gut und schlecht zu sein wie bei „normalen“ Hochfeld-MRT-Geräten (die Sicherheit natürlich wesentlich besser). Werden gute Kopfaufnahmen benötigt, dann ist also auch in Zukunft in vielen Fällen die operative Magnetentfernung notwendig.

Die Parameter gegenwärtiger Niederfeld-MRTs entsprechen nicht den Vorgaben der GKV-Kataloge, so dass Niederfeld-MRTs derzeit nur als privatärztliche Leistungen verfügbar sind. Im Falle von CI-Patienten sollte aber eine Kostenübernahme bei der GKV zu erreichen sein. Zusätzlich muss die Freigabe des CI-Herstellers vorliegen. Hier ist zu befürchten, dass sich einzelne Hersteller hinter juristischen Formalitäten verschanzen: Vielfach sind Zulassungsuntersuchungen nur mit 1,5- und 3 T-Geräten erfolgt. Rein physikalisch sollten beim CI alle Gefährdungsparameter bei niedrigeren Feldstärken geringer sein. Dennoch haben CI-Patienten hier derzeit noch Schwierigkeiten zu erwarten.

Man darf hoffen, dass die Wieder-Verbreitung von Niederfeld-MRT-Geräten hier Abhilfe schaffen wird. Hier ist vor allem die Diskussion zwischen Herstellern und Patientenverbänden gefragt.

Autoren:

  • Dr. Jürgen Neuburger, HNO-Praxis Rheinstetten & HNO-Klinik am Städt.Klinikum Karlsruhe (Dir.: Prof. Dr. W. Heppt)
  • Prof. Dr.Hans-Martin Klein, GreenScan GmbH, Medical Center Siegerland Airport, Burbach

Literatur:

Klein H-M. Low-Field Magnetic Resonance Imaging. Fortschr Röntgenstr 2020; 192: 537–548

Peschke E, Ulloa P, Jansen O et al. Metallic Implants in MRI – Hazards and Imaging Artifacts. Fortschr Röntgenstr 2021; 193: 1285–1293

Dieser Artikel erschien in der Schnecke 114.


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