25. März 2019
Heinzelmännchen hinterm Ohr
Der US-amerikanische Hörsystem-Hersteller Starkey setzt auf Künstliche Intelligenz und verspricht auf einer groß angelegten Promotion-Tour durch Europa nichts weniger als eine „Revolution des Hörens“. Starkeys neues Hörgerät namens Livio AI soll zugleich ein „Personal Assistant“ in nahezu allen Lebenslagen sein, smarter und cooler als Amazons Alexa oder Apples Siri, und gut für die „mentale Gesundheit“ seines Nutzers, versprach Firmengründer Bill Austin in Bonn.
Starkeys „Revolution des Hörens“
Zur Präsentation der neuen Produktreihe ist Starkeys Gründer und CEO William –Bill – Austin höchstselbst aus Eden Prairie, Minnesota, USA, nach Bonn gekommen, über London, Mailand und Paris. Hörakustiker aus der gesamten Republik und einigen Nachbarländern nutzten am 22. März die Chance, sich im nobel-schicken Kameha Grand Hotel am Rheinufer über das Livio AI zu informieren und sich, vielleicht noch wichtiger, dort zusammen mit der 77-jährigen Unternehmerlegende (rechts im Bild) fotografieren zu lassen:
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Der IT-Experte Achin Bhowmik erklärte ihnen und Vertretern der Fachpresse, was so revolutionär ist am Livio AI. Dieses Heinzelmännchen von Hörgerät verstehe Fremdsprachen, sei Schriftdolmetscher und elektronischer Leibarzt in einem und mindestens so smart wie Alexa und Siri. „Berühren Sie nur einfach sanft Ihr Ohr und stellen Sie eine Frage!“
Sofern eine Internet-Verbindung bestehe, gebe Livio Auskunft, spiele Musik ein, stelle Telefonverbindungen her… „Cool“ findet Bhowmik das Ergebnis seiner Bemühungen als, so sein offizieller Titel, Chief Technology Officer and Senior Vice President of Engineering bei Starkey.
AI steht für Artificial Intelligence, Künstliche Intelligenz. Stanford-Absolvent Bhowmik ist seit knapp zwei Jahren Starkeys Chefrevolutionär. Austin hat ihn zu diesem Zweck 2017 dem Chip-Hersteller Intel abgeworben.
2017 war Starkey ins Trudeln gekommen. Die Fachpresse in den USA wusste mehr von Führungskrisen, Prozessen und Skandalen zu berichten denn von Produktinnovationen. Der Chef hatte einige Jahre zuvor die Führung aus der Hand gegeben.
Bis dahin war es mit dem Unternehmen vier Jahrzehnte lang bergauf gegangen. Austin, der nach eigenem Bekunden eigentlich Arzt und Wohltäter werden wollte - wie sein Idol Albert Schweitzer -, hatte aus einem kleinen Hörakustikladen in Minnesota Amerikas Marktführer bei Hörgeräten gemacht, mit heute 5000 Angestellten in 24 Betriebsstätten. Starkeys Deutschland-Zentrale ist in Hamburg zuhause.
„Noch“ keine Partnerschaft mit einem CI-Hersteller
Bill Austin setzte früher als andere auf individuell angepasste Hörgeräte und den Einsatz von Mikro-Elektronik. Das kam an. Auch US-Präsident Ronald Reagan ließ sich in den 1980ern von Starkey beim Hören helfen. Solche Erfolge machten Austin, wie nebenbei, zum Milliardär. Doch eigentlich wollte er ja Gutes tun. Und so transformierte er sich im Rentenalter, wie das Magazin Forbes es beschrieb, „von einem bodenständigen Medizingerätehersteller aus dem Mittleren Westen zu einem kosmopolitischen Weltverbesserer“.
An der Seite seiner vierten Frau Tani reiste Austin fortan rund um die Erde. Er traf sich mit Berühmtheiten und sammelte Geld für seine Stiftung. Die stellt Hörgeräte Menschen zur Verfügung, die sich das sonst nicht erlauben könnten und denen keine Versicherung so hilft, wie das in Deutschland zum Glück üblich ist.
Doch 2017 riss Austin, damals schon 75-jährig, das Firmenruder wieder an sich, feuerte das leitende Management von einem Tag auf den anderen, machte seinen Stiefsohn Brandon Sawalich zu seiner Rechten Hand und holte Bhowmik an Bord. Auf zur „Revolution des Hörens“!
Auch Sawalich (links im Bild) und Bhowmik sind in Bonn dabei und umrahmen Austin, die lebende Legende:
„Healthable“ seien die neuen, ständig klüger werdenden Hörgeräte, haben Werbeprofis gereimt. Ins Deutsche lässt sich das nur schwer transkribieren und wird deshalb gar nicht erst versucht. „Gesundheitsfähig“: das klänge arg sperrig und schräg.
Gemeint ist: Das kleine Ding hinter dem Ohr hilft seinem Träger, gesund zu bleiben und noch gesünder zu werden. Bei Unfällen ruft es gezielt nach Hilfe. Es ist mit Tipps zu mehr Bewegung und sozialen Kontakten, wenn nicht zur Hand, dann am Ohr.
Dort ist das elektronische Heinzelmännchen bestens platziert, denn: „Das Ohr ist der direkte Zugang zum Gehirn“, weiß Austin. Livio AI erfasse alle Bewegungen seines Nutzers, befördere dessen „mentale Fitness“ und überhaupt die „allgemeine Lebensqualität“. Die Steuerung erfolgt über die Sprache und eine Smartphone-App. Die höchst persönlichen Daten des Nutzers seien so gut gesichert, wie es in der Internetwelt möglich ist.
Cochlea Implantate stellt Starkey übrigens nicht her. Und auch eine Partnerschaft mit einem CI-Hersteller bestehe „bisher nicht“, sagte Austin in Bonn. Er fügte hinzu: „Aber wir hätten auch nichts dagegen.“
Text: uk
Fotos: uk / Starkey Laboratories (2)
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